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Bodenreform-Skandal in Brandenburg schlägt weitere Wellen : MOZ ; MAZ; Die Welt; Der Tagesspiel ; Niederlausitz aktuell ; Lausi


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Märkische Allgemeine, 04.02.08:

http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11126024/2242247/Untersuchungsausschuss_zu_Bodenreform_Grundstuecken_gefordert_Von_Schwerin_will.html

Von Schwerin will Aufklärung

Untersuchungsausschuss zu Bodenreform-Grundstücken gefordert

Potsdam - Einen Untersuchungsausschuss des Landtages zur Aufklärung der unrechtmäßigen Aneignung von rund 10.000 Bodenreform-Grundstücken durch das Land Brandenburg hat die Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) gefordert. Zudem müsse das von Finanzminister Rainer Speer (SPD) angekündigte Fünf-Punkte-Programm zur Schadensbegrenzung unverzüglich auf den Weg gebracht werden, sagte Bundesvorsitzender Manfred Graf von Schwerin heute in Potsdam.

Der Bundesgerichtshof hatte Brandenburg ein sittenwidriges Vorgehen vorgeworfen, das „an die Praxis der Verwalterbestellung der DDR" erinnere. Das Urteil müsse politische Konsequenzen haben, forderte von Schwerin. Am vergangenen Freitag hatte Speer darauf verwiesen, dass die Übernahmepraxis bei Bodenreformland bereits 1996 mit dem Kabinett abgestimmt worden sei. Landesweit gebe es rund 10.000 Fälle, in denen das Land Ansprüche gegen unbekannte Erben durchgesetzt habe.

Für die Aktionsgemeinschaft sei das BGH-Urteil keinesfalls unerwartet gekommen, sagte von Schwerin. Bereits seit Jahren habe die ARE massiv auf die rechtswidrige Praxis der brandenburgischen Landesregierung bei der Aneignung von Bodenreformland hingewiesen. Man stelle nun mit Erleichterung fest, dass endlich erste Konsequenzen in diesem politischen Skandal gezogen werden sollten, betonte von Schwerin.

Der Anwalt Thorsten Purps bezweifelte Angaben, wonach es eine systematische Suche nach Bodenreform-Erben gegeben habe. Speer hatte darauf verwiesen, dass die Landesregierung 1996 neun Privatfirmen engagiert habe, um in etwa 80.000 Bodenreform-Fällen die Eigentumsverhältnisse zu klären. Es sei recht unwahrscheinlich, dass vom Land professionelle Erbenermittler eingesetzt worden seien, meinte dagegen Purps. Derartige Firmen hätten immerhin eine Erfolgsquote von 60 bis 70 Prozent. Deshalb wäre es nicht glaubhaft, wonach die Suche in so vielen Fällen erfolglos geblieben sei. Nach den geltenden Regeln könne sich das Land erst nach einer 30-jährigen Suche ohne Ergebnis als Landeigentümer eintragen lassen.

Die finanzpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Landtag, Saskia Funck, begrüßte indes das Urteil: „Ich bin froh, dass in unserem Rechtsstaat der Schutz des Eigentums mit diesem Urteilsspruch entsprechend gewürdigt und gestärkt wurde." Die Betroffenen müssten ihr Land zurückbekommen. Nach Funcks Einschätzung werden nach dem Urteil Schadenersatzforderungen auf das Land zukommen. Diese könnten aber bislang noch nicht konkret beziffert werden.

Die Vorgänge werden bereits in der nächsten Woche den Landtag beschäftigen. Auf Antrag der oppositionellen Linken ist die Affäre am 12. Februar Thema einer Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses. dpa

Die Welt, 04.02.2008:

http://www.welt.de/berlin/article1632129/Brandenburg_eignet_sich_rechtswidrig_Land_an.html

4. Februar 2008, 20:36 Uhr

Von Gudrun Mallwitz

Bodenreform

Brandenburg eignet sich rechtswidrig Land an

"Sittenwidrig" sei das Vorgehen des Landes Brandenburg gewesen. So urteilte der Bundesgerichtshof in Karslruhe. Das Land hatte sich rund 10.000 einstige Bodenreform-Grundstücke angeeignet – in vielen Fällen wohl unrechtmäßig. Angeblich waren keine Erben zu finden.

Das Land Brandenburg hatte sich unter der damaligen Finanzministerin Wilma Simon (SPD) 1999/2000 bei rund 10.000 Grundstücken früherer Neubauern, deren Erben angeblich nicht auffindbar waren, selbst ins Grundbuch eintragen lassen. Doch in zahlreichen Fällen waren durchaus Erben vorhanden. So wie die Brüder Horst und Egon N. aus Strausberg (Märkisch-Oderland). Erst vier Jahre nach ihrer Enteignung hatten sie erfahren, dass das vom Vater geerbte Bodenreformland in Genschmar mittlerweile Eigentum des Landes war. Die Brüder aufzufinden, dürfte so schwer nicht gewesen sein: Seit 1960 lebten beide in Strausberg unter derselben Adresse, wie der Berliner Anwalt Ulrich Mohr berichtet. Ihm gelang es, vor dem Bundesgerichtshof das Urteil gegen das Land zu erstreiten, das jetzt auch anderen zu ihrem Recht verhilft.

Vor dem BGH in Karlsruhe hatten sich Brandenburg und Erben darüber gestritten, ob sich das Land Grundbesitz selbst hätte übertragen dürfen, der bei der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostdeutschland verteilt wurde. In dem BGH-Urteil vom Dezember 2007 (Az: V ZR 65/07) heißt es, das Land habe seine "Vertretungsmacht" missbraucht. Die Erklärung, "Anspruch auf unentgeltliche Auflassung des Grundbesitzes" zu haben, "erfolgte ins Blaue hinein und war inhaltlich falsch". Die Urteilsbegründung hatte bei Politikern Empörung über das Vorgehen des Landes ausgelöst.

Staatsanwaltschaft prüft, ob sie Ermittlungen wegen Untreue aufnimmt

Nun schaltet sich in den Skandal um die rechtswidrige Aneignung von rund 10.000 einstigen Bodenreform-Grundstücken durch das Land Brandenburg Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ein: Das Landeskabinett wird sich am Dienstag mit den Konsequenzen des spektakulären Bundesgerichtshof-Urteils befassen. Die Linke hat einen umfangreichen Fragenkatalog an das Finanzministerium übergeben. Am 12. Februar soll Finanzminister Rainer Speer (SPD) in einer Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses zum Umgang der Landesregierung mit Bodenreformland und die Konsequenzen aus dem Urteil Stellung beziehen. Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft noch, ob sie Ermittlungen wegen Untreue aufnimmt.

Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hatte als erster Brandenburger Politiker auf das harsche Urteil des Bundesgerichtshofs reagiert. Den Vorwurf des Gerichts, das Land habe bei der Übertragung von Bodenreform-Flächen sittenwidrig gehandelt und die Vertretungsvollmacht missbraucht, nannte er „beschämend“. Er forderte, die fehlerhafte Praxis umfassend aufzuklären.

Aufrufe an unbekannte Bodenreformeigentümer und deren Erbe

Finanzminister Rainer Speer (SPD) kündigte darauf an, dass das Land bei 1000 laufenden Fällen seine Anträge auf Einträge ins Grundbuch zurückziehen wolle. Zudem werde es Aufrufe an unbekannte Bodenreformeigentümer und deren Erbe starten, sich an den Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (Zeppelinstraße 136, 14471 Potsdam zu wenden. Dass das Land sich habe bereichern wollen und die mit der Suche nach den Erben beauftragten Agenturen schlecht recherchiert hätten, weist das Finanzministerium zurück. "Das Land hatte 80.000 Bodenreform-Fälle registriert. Bei 63.000 stellte sich heraus, dass das Land keinen Anspruch hat“, sagt Ministeriumssprecher Ingo Decker. "In 7000 Fällen setzte es sich gegenüber bekannten Erben und Eigentümer in den Ansprüchen durch – und in 10.000 Fällen gegenüber unbekannten Erben.“

Politiker von CDU und der Linken sowie die Aktionsgemeinschaft „Recht und Eigentum“ (Are) dringen darauf, dass eine unabhängige Kommission eingesetzt wird. Der CDU-Landtagsabgeordnete Dierk Homeyer: "Sie muss darüber wachen, dass der Rechtsfrieden wieder hergestellt wird.“ Auch Are-Bundeschef Manfred Graf von Schwerin hält es "für ein Unding, dass die Landesregierung den von ihr selbst begangenen Rechtsbruch rückabwickelt“. Die Aktionsgemeinschaft wirft der Politik vor, jahrelang auf die Unrechtsfälle nicht reagiert zu haben. Angela Merkel habe als damalige CDU-Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern 1999 in einem Brief an die dortige Landesregierung die Lösung des Problems der Neusiedler-Erben gefordert – bis heute sei nichts geschehen.

Weiterführende links Enteignung und Rückübertrgaung

Schlagworte Bodenreform Enteignung BGH Karlsruhe Erben Urteil

Der Tagesspiegel, 05.02.2008:

http://www.tagesspiegel.de/berlin/Brandenburg;art128,2470117

Kalte Enteignung könnte teuer werden

Das Finanzministerium kannte die Risiken der Inbesitznahme. Nun drohen Schadenersatzanforderungen

Von Thorsten Metzner

5.2.2008 0:00 Uhr

Potsdam - Nach der rechtswidrigen Aneignung von zehntausend Bodenreform- Immobilien durch das Land Brandenburg erwarten Union und Linke, dass eine Welle von Schadenersatzforderungen auf die Landesregierung zurollen könnte. Dies ist umso brisanter, weil nach Tagesspiegel-Recherchen die Regierung bereits 2005 auf die Fragwürdigkeit der Aneignungen und drohende Regress-Risiken hingewiesen wurde, diese Warnungen aber ignorierte – bis nun ein Urteil des Bundesgerichtshofs diese Praxis als „sittenwidrig“ und eines „Rechtstaates unwürdig“ verwarf. Das Land hatte sich, wie berichtet, bei Bodenreform-Grundstücken ohne bekannte Erben über Landratsämter kurzerhand selbst ins Grundbuch eintragen lassen, anstatt Vormundschaftsgerichte einzuschalten. Auch im Finanzministerium selbst, bei einigen Landratsämtern und Notaren gab es dem Vernehmen nach Bedenken gegen dieses Vorgehen, das auch Gerichte in Brandenburg vor dem BGH bereits gerügt hatten.

Und schon am 26. 5. 2005 wandte sich der Potsdamer Anwalt Thorsten Purps, Spezialist für offene Vermögensfragen in Ostdeutschland, direkt an Finanzminister Rainer Speer (SPD). In dem dem Tagesspiegel vorliegenden Schreiben warnte Purps, dass es rechtlich „äußerst bedenklich“ sei, wenn das Land „sich selber“ als gesetzlichen Vertreter unbekannter Erben bestelle – um Bodenreformgrundstücke in sein Eigentum zu überführen. Er berief sich dabei sogar auf ein entsprechendes Urteil des Oberlandesgerichtes Brandenburg (OLG) vom August 2004, wonach die Übertragung auf das Land „aufgrund fehlender Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht“ unwirksam sei. Purps forderte Speer auf, im Interesse des Landes vorsorglich in diesen Fällen Amtswidersprüche in die Grundbücher einzutragen – was aber die Verfügung über die Immobilien eingeschränkt hätte. „Anderenfalls wird das Land Brandenburg künftig über diese Grundstücke verfügen und dabei erhebliche Haftungsrisiken eingehen. Wir sind der festen Überzeugung, dass Sie die notwendige Sensibilität für das heikle Thema aufbringen.“

Diese Hoffnung war indes vergeblich. Laut Antwortschreiben vom 29. Juni 2005 sah das Finanzministerium keinen Handlungsbedarf. Es verwies lediglich darauf, dass sich Brandenburg verpflichtet habe, in Landesbesitz übernommene Bodenreform-Flächen wieder an rechtmäßige Erben zu übertragen, falls diese auftauchen sollten. Die Eintragung von Amtswidersprüchen sei weder erforderlich, noch „angesichts des Verwaltungsaufwandes“ vertretbar, so das Ministerium. „Ebenso wenig vermag ich mich Ihrer Auffassung hinsichtlich eines Regressrisikos anzuschließen.“ Das Finanzministerium war also über die Problematik „bestens im Bild“, so Purps. Aber man habe offensichtlich „Fakten schaffen“, sich an Objekten „bereichern“ wollen.

Auf wen die vom BGH gerügte Inbesitznahme genau zurückgeht, ist weiter unklar. Fest steht, dass das Verfahren etwa 1996 in der Zeit der SPD-Alleinregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und der damaligen Finanzministerin Wilma Simon entwickelt wurde. Das Kabinett hatte damals neun private Recherchedienste eingeschaltet. Sie sollten Bodenreformflächen und Erben ausfindig machen. Das Land hatte nach einer gesetzlichen Verjährungsfrist bis Oktober 2000 Zeit, um mögliche eigene Ansprüche zu sichern. Die Entscheidung, dies bei den 10 000 Fällen mit unbekannten Erben, kurz vor Ablauf der Frist 1999/2000 durch eine Übereignung zu tun, sei allein im Finanzministerium getroffen worden, hieß es dazu am Montag in Regierungskreisen. Purps bezweifelte, dass es überhaupt eine systematische Suche nach Bodenreform-Erben gab. „Man hat nicht einmal professionelle Erbenermittler eingeschaltet.“ So gebe es nachweislich Fälle, wo bei Grundstücken nicht einmal gefragt worden sei, an wen bislang Pacht gezahlt wurde. „Stattdessen kam ein Schreiben, dass sie künftig an das Land Brandenburg zu entrichten ist.“ Statt herrenlose Grundstücke einfach zu übernehmen, hätte Brandenburg das in der Bundesrepublik übliche Regularium anwenden müssen, sagte Purps: „Der Königsweg wäre ein Aufgebotsverfahren gewesen.“ Das hätte bedeutet, dass das Land 30 Jahre hätte warten müssen, um die Flächen dann nach Recht und Gesetz in Landeseigentum überführen zu können.

Unterdessen hat die Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) einen Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtages wegen des Bodenreform-Skandals gefordert, mindestens aber eine „unabhängige Experten-Kommission“, die die Verantwortlichen ermittelt. „Vor allem müssen die Neusiedler–Erben endlich zu ihrem Recht kommen“, sagte ARE-Vorsitzender Manfred Graf von Schwerin. Die ARE habe in den letzten Jahren immer wieder auf die problematische Praxis Brandenburgs aufmerksam gemacht. „Man hat es mit der Arroganz der Macht zurückgewiesen.“ Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) mahnte, „alles zu tun, um den Ruf des Landes wiederherzustellen.“

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 05.02.2008)

Niederlausitz aktuell, 04.02.2008:

http://www.niederlausitz-aktuell.de/artikel_6_777.php

Bodenreform: Finanzminister Speer zu den Konsequenzen aus dem Urteil des BGH

04.02.2008 09:35 - [hf]

Potsdam – Mit einem 5-Punkte-Paket reagiert Brandenburgs Finanzminister Rainer Speer auf das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) zur Problematik von Bodenreformflächen. Im Einzelnen sehen die Maßnahmen folgendes vor:

* Gegenstand der Entscheidung des BGH vom 07.12.2007 waren Verfahren, in denen das Land nach ergebnislos verlaufener Recherche nach den Eigentümern/Erben von Bodenreformgrundstücken Eigentumsverschaffungsansprüche nach den Bestimmungen über die Abwicklung der Bodenreform selbst durchgesetzt hat, nachdem es sich zum gesetzlichen Vertreter der unbekannten Eigentümer bestellen lassen hat. Als Konsequenz aus dem BGH Urteil vom 07.12.2007 wird das Land seine in diesen Verfahren noch nicht vollzogenen Grundbucheintragungsanträge zurücknehmen.

* Ist das Land in diesen Verfahren bereits im Grundbuch eingetragen worden und tauchen später Eigentümer der Bodenreformflächen oder deren Erben, die ihr Erbrecht durch Erbschein nachweisen, auf, die bei den Recherchen, die der Anspruchsdurchsetzung vorausgingen, nicht ermittelt wurden, wird das Land diesen das Grundstückseigentum übertragen, unabhängig davon, ob sie besser berechtigt sind als das Land.

* Um möglicherweise bei den Recherchen, die der Anspruchsdurchsetzung vorausgingen, übersehene Bodenreformgrundstückseigentümer oder deren Erben über die vorgenannten Maßnahmen zu unterrichten, wird das Land in der Regionalpresse Aufrufe an Bodenreformeigentümer/deren Erben richten, die ihre Grundbucheintragung bislang noch nicht veranlasst haben oder nach ihrer Grundbucheintragung ihren Wohnort gewechselt haben, mit der Bitte, sich an den Brandenburgischen Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen, Zeppelinstr. 136, 14471 Potsdam, zu wenden, um zu klären, ob ihre Bodenreformflächen von einer solchen Anspruchsdurchsetzung betroffen sind.

* Das Ministerium der Finanzen wird an das Ministerium der Justiz mit dem Angebot herantreten, in Auswertung des BGH Urteils vom 07.12.2007 gemeinsam eine Arbeitshilfe für die Grundbuchämter für den Umgang mit den verschiedenen Fallgestaltungen zu entwickeln.

* Ist das Land bereits im Grundbuch eingetragen worden und melden sich auch auf die Aufrufe in der Regionalpresse keine Grundstückseigentümer oder Erben, wird das Land die Flächen absondern und sie wie ein Treuhänder zugunsten der unbekannten Eigentümer/Erben bewirtschaften.

Quelle: Ministerium der Finanzen

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04.02.2008 21:18 - Kommentar von Ulrich Mohr

Dieses BGH-Urteil wurde durch unsere Kanzlei erstritten. An Speers 5-Punkte-Programm stört Punkt 5: Das Land hat sich durch Einsetzen von treulosen "Vertretern" der Erben rechtsstaats-unwürdig Grundvermögen zugeschanzt. Wieso sollte es jetzt "Treuhänder" über diese `Sore' sein können?

Seit wann dürfen denn durch strafbare Handlungen erlangte Waren bei den Tätern zur Verwaltung bleiben? Die Auflassungen, die Basis einer jeden Grundstücksübereignung, war laut BGH NICHTIG, also nicht vorhanden. Das Land hat die Grundbuchämter lediglich über die Aktenzeichen zu informieren, damit die dort ihr eienes (Prüfungs-)Versagen reparieren und die alten Eigentümer wieder ins Eigentum setzen können. Ansonsten sollten sich alle von Staats= oder Amts wegen Beteiligten vorsehen! Wer hilft oder durch Unterlassen bewirkt, daß ein deliktisch erlangtes Grundstück nicht sogleich an den zuvor eingetragenen Eigentümer zurückfällt, macht sich einer Begünstigung im Amt schuldig. Dagegen gibt es derzeit keinerlei Entschuldigung mehr! Und das Finanzministerium sollte seine Möchtegern-Treuhänder-Rolle aufgeben und den lt. BGH nachhaltig verletzten Rechtsfrieden nicht weiter gefährden! Ulrich Mohr, Rechtsanwalt, Berlin (0309165792)

Lausitzer Rundschau, 04.02.2008:

http://www.lr-online.de/regionen/brandenburg/art25,1924594

04.02.2008

CDU-Fraktion prüft Einberufung eines Untersuchungsausschusses

«Skandalöse» Bodenreform

Potsdam.  Die rechtswidrige Inbesitznahme von zehntausend Bodenreform-Grundstücken durch das Land Brandenburg hat jetzt auch ein parlamentarisches Nachspiel im Landtag.

Nach Tagesspiegel-Informationen vom Wochenende gibt es beim Koalitionspartner CDU bereits „ernsthafte Überlegungen“, wegen der vom Bundesgerichtshof als „sittenwidrig“ gerügten Brandenburger Praxis einen Untersuchungsausschuss einzuberufen.

Auch die Fraktionsvorsitzende der Linken, Kerstin Kaiser forderte „lückenlose Aufklärung“, wer 1999/2000 die Entscheidung in der Regierung getroffen habe, Bodenreform-Grundstücke ohne bekannte Erben einfach in Landesbesitz zu übernehmen, was der Bundesgerichtshof jetzt rügte. „Es müssen politische Konsequenzen folgen“, sagte Kaiser dem Tagesspiegel.

Wie berichtet, hatte sich Brandenburg 1999/2000 bei rund zehntausend Grundstü-cken früherer Neubauern, deren Erben nicht auffindbar waren, selbst ins Grundbuch eintragen lassen. Der Bundesgerichtshof sah dies in einem Präzedenzurteil als „sittenwidrig“ und „eines Rechtsstaates unwürdig“ an.

Die Potsdamer Staatsanwaltschaft prüft, ob Ermittlungen wegen Untreue aufgenommen werden müssen, weil das Land womöglich seine Treuhänderpflichten bei den Grundstücken verletzt hat.

Kaiser, aber auch der CDU-Abgeordnete Dieter Dombrowski, sprachen von einem „Skandal“. Die Linken haben deshalb bereits eine Sondersitzung des Finanzausschusses einberufen und wollen Finanzminister Rainer Speer (SPD) einen detaillierten Fragekatalog übergeben. Die Bodenreform-Affäre soll nach dem Willen des Vorsitzenden Sven Petke (CDU) auch auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses gesetzt werden. In der Union wird darauf hingewiesen, dass bereits das Brandenburger Oberlandesgericht in seinem Urteil die Praxis des Landes gerügt hatte – das Finanzministerium aber dennoch Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt hatte. Oppositionsführerin Kaiser kritisierte den Umgang von Finanzminister Rainer Speer mit dem Skandal.

Dieser hatte zwar umgehend den Verzicht auf Ansprüche des Lan-des auf die Grundstücke verkündet, aber die bisherige Praxis verteidigt und den Vorwurf einer vorsätzlichen Bereicherung zurü ;ckgewiesen.

„Ein anderes Motiv, als sich diese Grundstücke geräuscharm zu sichern, gibt es nicht“, sagte Kaiser. „Eine Entschuldigung gegenüber Betroffenen wäre das Mindeste.“ Oppositi-on, aber auch der CDU-Koalitionspartner vermuten, dass hinter der Landnahme eine systematische Aktion des SPD-geführten Finanzministeriums steckte.

Thorsten Metzner

Der Tagesspiegel, 05.02.2008:

http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/Enteignung-Brandenburg;art141,2470149

Enteignungen in Brandenburg

Die DDR lässt grüßen

Statt die rechtmäßigen Erben zu suchen, ließ sich das Land Brandenburg kurzerhand selbst als Eigentümer der Grundstücke in die Grundbücher eintragen. Man kann es drehen und wenden wie man will: Diese Praxis der Behörden ist Willkür.

Von Gerd Appenzeller

5.2.2008 0:00 Uhr

Wenn der Bundesgerichtshof das Handeln eines Bundeslandes als „eines Rechtsstaates unwürdig“ einordnet, kann man davon ausgehen, dass sich die Richter nicht mit einem Einzelfall von arroganter, aber nicht unbedingt böswilliger Behördenwillkür auseinander gesetzt haben. Diesen unglaublichen Vorwurf des rechtsstaatsunwürdigen Verhaltens muss sich das Land Brandenburg zurechnen lassen. Es ging um einige zehntausend Grundstücke, die bei der Bodenreform nach 1945 an Neubauern vergeben worden waren und für die sich nach der Wende bis zum Jahr 2000 kein Eigentümer gemeldet hatte. Ob die Neubauern noch zu DDR-Zeiten geflüchtet, ob sie kinderlos verstorben oder ob sie sich ihrer Besitzrechte einfach nicht bewusst waren – das alles und noch viel mehr mag zutreffen.

Das Land Brandenburg jedenfalls bemühte sich nicht, die unklare Rechtslage auszuleuchten, etwa durch eine Erbensuche, wie sie in solchen Fällen durch öffentliche Aufrufe etwa in Zeitungen üblich sind. Nein, Brandenburg ließ sich als Eigentümer in die Grundbücher eintragen. Nicht etwa durch Gerichtsbeschluss, sondern auf Weisung der Landratsämter. Vorsorglich, heißt es nun, habe man so gehandelt. Aber dass ist nicht wahr, denn als sich einer der Berechtigten meldete, verweigerte das Land die Herausgabe des Grundstücks und zog den Betroffenen in einen Rechtsstreit über mehrere Instanzen – den das Land jetzt mit einer schallenden Ohrfeige verlor.

Man kann es drehen und wenden wie man will. Diese von der Landespolitik initiierte Behördenpraxis ist Willkür und kommt einer zweiten Enteignung im DDR-Stil gleich. Es ist wohl kein Zufall, dass dies ausgerechnet in Brandenburg geschah, jenem Bundesland, das noch zu Manfred Stolpes Zeiten liebevoll-ironisch-resignierend als „die kleine DDR“ bezeichnet wurde. Wer den Eigentümer eines Grundstückes finden will, der kann das auch. Er muss nur die Rechtsnachfolger des letzten im Grundbuch eingetragenen Verfügungsberechtigten suchen. Aber er kann es eben auch lassen, in der stillen Hoffnung, dass keiner nachfragt und sich die Sache irgendwann erledigt. Sich zu kümmern oder nichts zu tun, das ist genau der Punkt, an dem der Rechtsstaat zum Willkürsystem wird. Die faulen Ausreden machen alles nur noch schlimmer.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 05.02.2008)