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Schwarzbuch

Von Ulrich Landskron : Ausschluß-Gründe für Schäuble


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-Für erheblichen Unmut und eine Reihe von „Brand-Briefen“ in Richtung Stadt Aachen haben in den letzten Wochen die Ankündigungen gesorgt, Wolfgang Schäuble den Karlspreis der Europastadt zum Himmelfahrtstag 2012 zu verleihen. Man wird hierzu noch einiges hören und Überraschungen in Aachen anlässlich der Verleihung sind nicht ausgeschlossen...

Wir nehmen die, vorsichtig ausgedrückt „skurrile“ Nominierung des selbst ernannten „Architekten der deutschen Einheit“ und neuerlichen „ EU-Rettungsschirm-Halters“ zum Anlass, auf einen über 7 Jahre zurückliegende „Kandidatur- Versuch“ im Wortlaut zurückzukommen, in memoriam 2004. Damals schrieb Gastkommentator Ulrich Landskron:

 

„ Keiner seiner fünf bedeutenden oder doch zumindest beachtlichen Vorgänger auf dem Stuhl des CDU- Parteivorsitzenden konnte sich nur so kurze Zeit dort halten: nur rund 18 Monate blieb Wolfgang Schäuble auf dem Sessel Helmut Kohls. Keiner seiner Vorgänger im Fraktionsvorsitz musste wie er, trotz jahrzehntelanger Erfahrung im parlamentarischen Intrigen- und Machtspiel, so schnell und so unfreiwillig wieder abtreten. Keiner auch hat wie er innerhalb seiner eigenen Partei sich persönliche Feinde zu machen verstanden, durch persönliches Verletzen, durch Herablassung anderen gegenüber und durch seinen Zynismus.

Und nun soll ausgerechnet dieser zum „knorrigen Badener“ schöngeredete klassische Diadoche des Kohl-Systems zur Integrationsfigur der Bundesrepublik werden- und damit in der Tradition eines Theodor Heuß, Karl Carstens und Richard von Weizsäckers stehen.

Zugegeben, das Amt des Bundespräsidenten bietet sehr wenig politischen Spielraum, seine Bedeutung liegt innenpolitisch mehr in der Präsenz in besonderen politischen Übergangslagen. Daraus zogen Heinrich Lübke und Gustav Heinemann ihr vorübergehend beträchtliches Gewicht, als es um die Koalitionswechsel oder die große Koalition ging.

Über derartige „ Was wäre, wenn...“- Überlegungen für die jeweilige Bundesregierung hinausgehend müsste aber doch eigentlich einmal die Frage gestellt werden: Kann der Kandidat für das höchste repräsentative Amt denn von seinem Wesen her ausgleichen ohne krampfhaft zu harmonisieren, zusammenführen statt zu polarisieren, versöhnen statt zu verbittern? Kann er es erkennbar nicht, bringt allein seine Kandidatur für das Land und die eigene Partei neuen überflüssigen Widerstand und Unwägbarkeiten auf die Dauer.

Wolfgang Schäuble kann eindeutig nicht als oberster Repräsentant der Bundesrepublik eine glaubhafte und konsensfähige Figur abgeben, ihm fehlt jede, aber auch jede vor allem charakterliche Eignung für diese Rolle. Hinzu kommt, dass auch die internen Parteitaktiker und Stimmen-Rechnungskünstler bedenken müssten, wie leicht der gestrandete Partei- und Fraktionsvorsitzende, der umstrittene Einigungsvertragswerker und Selbstdarsteller seiner „Künste“, von der eigenen Vergangenheit und den Auswirkungen seines Wirkens eingeholt werden kann – und im Zweifel werden wird. Im Falle Schäuble wäre das dann ein Novum im bisher nahezu sakrosanktem Amt des Bundespräsidenten.

 

Ein deutsches Staatsoberhaupt, dass sich - auch wenn man ihm die Herkunft aus dem äußersten Südwesten und damit eine gewisse Unberührtheit vom Schicksal unzähliger seiner Landsleute zugute halten möchte – über das Leid von Verfolgung und Heimatvertreibung sogar in schriftlicher Form zynisch mokiert, unvorstellbar bis heute. Ein Kandidat, dessen Rolle im immer mehr hochkommenden Skandal um die Diskriminierung der in der SBZ und DDR Verfolgten und Enteigneten, eindeutig als „Unrechtler“ negativ besetzt ist ?. Auf diese Weise ist er auch einer der aktiven Blockierer der, ach so beklagten, aber nicht grundlegend analysierten Fehlentwicklung beim Aufbau Ost geworden. So wird eigentlich schon der Vorschlag der Kandidatur zur Herausforderung. -Es sei denn, es handelt sich um eine unter Parteifreunden besonders subtile Form der Verbrennung der Kandidatur.

Über Schäubles unklare Rolle im Karussell der Spenden-Mitmischer von Schreiber bis Kiep wird natürlich noch ebenso einiges an Klärung erwartet wie der von ihm favorisierte Griff nach den Erbschaften- der Fiskus-Angestellte aus der Zeit vor der Politkarriere lässt grüßen.

Und dann wäre noch seine, in der Öffentlichkeit bisher wenig hinterfragte Rolle beim Stasi-Amnestie-Gesetz-Vorschlag von 1990/1991. Man stelle sich vor, sein so merkwürdig frühes eifriges Bestreben hätte zur weitgehenden Amnestierung des SED-Unterdrückungsapparates geführt.Es ist ja auch so schon genug an Unrecht gegenüber den Verfolgungsopfern geschehen.

Auf unübersehbare Zeit wäre das innerdeutsche Verhältnis vergiftet und die Opposition in der DDR nachträglich niedergemacht worden. Und das alles nur, weil verängstigte Stasigrössen und Spitzenfunktionäre ihr „Insider-Wissen“ gegen Amnestierung von Verbrechen und Vergehen eintauschen wollten – zum Weitermachen. So, wie es heute an vielen Orten zu spüren ist.

 

Nein, schon aus moralischen und charakterlichen Gründen ist der Kandidat Schäuble eine Zumutung. Und es gibt eben dann die Liste der sozusagen objektiven Auschlußgründe darüber hinaus. Wie viele Gründe sind es eigentlich ausser den genennten ?

Dass die zögernde Angela Merkel in Sachen Schäuble noch zusätzliche Gründe haben dürfte, kann man wohl vermuten. Vielleicht leitet sie dabei nur ihr inzwischen beachtlich entwickelter Machtinstinkt und ihre Überlegung, wer ihr als Bundespräsident, wenn sie sich denn als künftige Bundeskanzlerin sieht, Probleme bereiten könnte wie einst Weizsäcker ihrem Ziehvater Kohl.

 

Und außerdem, wer weiß: „ DDR-Insiderkenntnis “ schadet auch nur dem, der keine hat.

Was immer letztlich aus der Kandidatur werden sollte: Schäuble als Fall hat „ Zukunft“.

uln. 18.01.04.