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Schwarzbuch

Wer rettet die Steuerzahler ?-------------von Dr. K. P. Krause


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Dr. Klaus Peter Krause* in kpkrause.de am 19. Juni 2009

Um sie sorgt sich niemand, alle kümmern sich nur um Pleite-Unternehmen

Pleite bedrohte Hasardeur-Banken und große gestrauchelte Konzerne werden mit gewaltigen staatlichen Krediten und Bürgschaften vor dem Zusammenbruch gerettet. Wer aber rettet die Steuerzahler, die dafür letztlich aufkommen müssen, weil der Staat diese Rettungen nur mit neuen Schulden finanziert? Überraschenderweise ist der notorisch klamme und ohnehin schon hochverschuldete deutsche Staat bereit und scheinbar fähig, Milliarden und Abermilliarden gepumpten Geldes in marode Unternehmen zu stecken und somit unverantwortliche Geschäftsgebaren auch noch zu honorieren.

Aber wenn es darum geht, das notwendige Geld in Schulen, Universitäten, Erziehung, Wissenschaft, Forschung, Infrastruktur zu investieren, ist das Geld nicht da, ist die Bereitschaft, sich auch dafür hoch zu verschulden wie weggeblasen. Dabei sind es doch nur diese und ähnliche Bereiche, die Deutschlands Wohlstand bewahren und an denen Deutschlands Zukunftssicherung hängt. Was ist das für ein Staat, der seine Zukunft vernachlässigt, aber Hasardeuren so viel Geld nachwirft, damit sie die Folgen ihrer Verfehlungen der Vergangenheit bewältigen.

Mittelstand politisch vernachlässigt

Auch Steuersenkungen gehen angeblich nicht, aber Milliarden Hilfen für die besagten Banken und Konzerne – die gehen. Und das soll der Bürger, zumindest der steuerzahlende, verstehen? Die Staatshilfe im Fall großer Konzerne ist sogar besonders schlimm, weil nicht sie die deutsche Wirtschaft tragen, sondern der gewerbliche und industrielle Mittelstand, der die meisten Menschen beschäftigt, am meisten zur Wirtschaftsleistung beiträgt, am meisten junge Leute für einen Beruf ausbildet. Aber diese mittelständischen Unternehmer mit ihre Betrieben finden bei Politikern allenfalls in gefallsüchtigen Sonntagsreden Beachtung, werden aber sonst von der Politik links liegen gelassen und im Übermaß mit Büttelaufgaben belastet.

Immerhin gab es einen Lichtblick: Der von Zahlungsunfähigkeit bedrohte Touristik- und Handelskonzern Arcandor soll die angestrebte staatliche Rettungsbeihilfe nicht erhalten. Anders als kurz zuvor noch Opel. Und das, obwohl Arcandor mit seinen rund 50 000 Arbeitsplätzen doppelt so viele Menschen in Deutschland beschäftigt wie der Autohersteller. Inzwischen ist jedoch ein staatlicher Massekredit für das Insolvenzverfahren im Gespräch.

Was die Finanzkrise ans Tageslicht brachte

„Systemische“ Bedeutung, wie das strapazierte Schlagwort lautet, mit dem die Bankenrettungspakete begründet werden, hat Arcandor (wie allerdings auch Opel) überhaupt nicht. Das Unternehmen hat sich letztlich übernommen, das Management hat Fehler und Unterlassungen begangen, die allgemeine Finanzkrise förderte sie jetzt nur verspätet und um so schmerzhafter ans Tageslicht – viel zu schmerzhaft leider für die bedauernswerten Beschäftigten, die für das Debakel kein bisschen können – ebenso, wie die Mitarbeiter von Opel unschuldige Opfer ihrer Unternehmensführung und der Autoüberproduktion sind.

Wer in der Pflicht ist

Aber wie schwer ist dem CDU/CSU-Teil in der Bundesregierung und Unionsgrößen in betroffenen Bundesländern im Fall Arcandor die Erkenntnis gedämmert, dass der Staat unmöglich allen fallierenden Unternehmen das Überleben sichern kann und es auch nicht darf. Dabei war der Widerstand des Koalitionspartners SPD gegen die Erkenntnis und nachfolgende Entscheidung, Arcandor anstelle von Staatshilfe lieber einem Insolvenzverfahren zu überlassen, war stark. Die SPD macht damit jetzt misstönig-schräge Wahlkampfmusik, ebenso die sozialistische Partei Die Linke. Aber es versteht sich von selbst, dass nicht der Staat, sondern die Arcandor-Eigentümer für das büßen müssen, was sie falsch beurteilt und falsch entschieden haben. Daneben sind auch die Gläubiger eines Unternehmens (Banken, Vermieter, Lieferanten) in der Pflicht. Auch sie gehen bei der Geschäftsbeziehung Risiken ein, die sie im Verlustfall nicht auf Unbeteiligte abwälzen dürfen. Geht etwas schief, müssen diejenigen mit ihrem Teil dafür einstehen und aufkommen, die mit den Erträgen auch die Vorteile einstreichen, wenn es gutgeht. Doch sorgt das Insolvenzverfahren dafür, dass die Gläubigerinteressen so weit wie möglich gewahrt werden. Immerhin gehören zu den Gläubigern nach Konzernangaben auch 20 000 deutsche Zulieferer und Dienstleister, vor allem mittelständische Unternehmen.

Wann staatliche Rettung vergebens ist

Ist ein in Schwierigkeiten geratenes Unternehmen oder sind Teile von ihm zukunftsfähig, werden sich private Investoren finden, die das in die Hand nehmen – sei es mit oder ohne Insolvenzverfahren. Besteht dagegen Aussicht auf ein Überleben in der einen oder anderen Form nicht, dann ist staatliche Rettung ohnehin vergebens, nur teuer; daher muss sie dann unterbleiben. Um so schlimmer im Fall Opel. Was bei Arcandor möglich ist, wäre ebenso bei Opel geboten. Ein Insolvenzverfahren bedeutet nicht das Aus für Alles und alle, sondern im geordneten Ablauf ein Rettungswerk für das, was zu retten ist. So sehr also der Regierung für ihr Verhalten gegenüber Arcandor zuzustimmen ist, um so mehr Kritik verdient sie an der staatlichen Kreditbürgschaft von 4,5 Milliarden Euro für Opel, von der Überbrückungshilfe (1,5 Milliarden) ganz zu schweigen. Um so erstaunlicher, wie verhältnismäßig geräuschlos die 850-Millionen-Staatshilfe für die Heidelberger Druckmaschinen AG über die Bühne ging.

Wer für die Vergehen anderer geradestehen muss

Wer also rettet die Steuerzahler, die gegenwärtigen und die der nachfolgenden Generationen? Wer paukt sie heraus? Das tut keiner. Das müssten sie schon selber tun, nämlich mit entschlossenem Widerstand gegen die staatliche Ausbeutung. Aber das ist leicht gesagt und schwer getan. Geeignet dafür wäre alle vier Jahre der Wahltag. Aber da steht auch zu viel anderes zur Disposition. Also, Protestmärsche? Aufstand? Schwer vorstellbar bei jenem braven bürgerlichen Mittelstand und den „Leistungsträgern“, denen das so gar nicht liegt, obwohl sie vom Fiskus doch besonders stark gebeutelt werden. So werden sie weiterhin für die Vergehen anderer geradestehen: mit ihrem nicht eben leicht verdienten Geld und dem, was ihnen der Staat davon als Steuerzahlung in Fülle abnötigt. Opfer dieser Politik von immer mehr Schuldenmacherei zur Rettung von Banken und Unternehmen sind die 24 Millionen deutschen Steuerzahler. Das sind zugleich 24 Millionen Wähler. Aber für die Politiker zählen die offensichtlich nicht. Warum dann 25 000 Opel-Beschäftigte?

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f.d.R.: Günter Kleindienst, Freier Journalist, 31275 Lehrte

*) Geboren 1936 in Rostock. Vater Rechtsanwalt und Notar, Mutter gelernte Sportlehrerin und Hausfrau. Aufgewachsen in Bützow und Neustrelitz. 1945 Flucht nach Schwerin. 1946 von Schwerin nach Lübeck zur väterlichen Verwandtschaft. Dort Weiterbesuch der Volksschule, dann Katharineum-Gymnasium bis 1957 zum Abitur. Bis 1959 kaufmännische Lehre als Industriekaufmann und anschließend Studium der Wirtschaftswissenschaften in Kiel und Marburg. Abschluß als Diplom-Volkswirt mit Promotion zum Dr. rer. pol. Gleich danach zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dort Wirtschaftsredakteur von 1966 bis Ende 2001, davon seit 1991 knapp elf Jahre verantwortlich für die FAZ- Wirtschaftsberichterstattung. Daneben von 1994 bis Ende 2003 auch Geschäftsführer der Fazit-Stiftung, die die Mehrheit an der Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH und der Frankfurter Societäts-Druckerei hält. Seit 2004 als selbständiger Journalist, Publizist und Autor tätig. Verheiratet seit 1966. Ehefrau Lehrerin. Kinder: Zwei Söhne, eine Tochter.