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Ja, ...Warum eine UNI ? ....Spiegel online 16-06-2010


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16.06.2010  

Uni Lübeck vor dem Aus

Eine Stadt gräbt das Kriegsbeil aus

Von Christoph Titz

Die Uni Lübeck kämpft ums Überleben. Rettung ist nicht in Sicht, weder durch die Idee einer Stiftungsuni noch durch erhoffte Hilfe aus Berlin. Stoppen könnten das Bildungssparen allenfalls Umfaller im Parlament. Am Mittwoch soll vor dem Kieler Landtag ein Proteststurm aufziehen.

Frage: Wozu geht ein Lübecker Student nach Kiel? Antwort wütender Lübecker Studenten: nur zum Demonstrieren. Geht es aber nach Schleswig-Holsteins Regierung, sollen ab 2012 neue Mediziner nicht mehr in Lübeck, sondern nur noch in der Landeshauptstadt Kiel ausgebildet werden. Und dieser Plan macht Studenten und Mediziner wütend, viele anderen Lübecker Bürger ebenso.

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Am Mittwoch soll es darum zu einer großen Demonstration kommen, die am frühen Nachmittag vor dem Kieler Hauptbahnhof beginnt und dann vor den Landtag zieht. Dazu haben Studentenvertreter der Universitäten und der Fachhochschulen in Lübeck, Kiel und Flensburg aufgerufen. 20.000 Unterschriften hat der Asta der Lübecker Uni schon gegen die Sparpläne der schwarz-gelben Regierung von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) gesammelt.

Dass das Land bei der Bildung sparen will, schweißt alle Studenten im Norden zu einer Protestbewegung zusammen. Der größte Sparbrocken: In Lübeck soll das Medizinstudium, das einen guten Ruf genießt, gestrichen werden, ab dem Wintersemester 2011/2012 sollen keine neuen Medizinstudenten mehr angenommen werden. Das Medizinstudium werde nach Kiel "verlagert", heißt es in den Sparplänen; außerdem droht den Wirtschaftswissenschaften an der Uni Flensburg das Aus. Die Regierung Carstensen begründet das mit einem gigantischen Defizit im Landeshaushalt.

Glaubt das Land noch an die Uni?

Seitdem geht die Angst besonders in Lübeck um. Man ahnt: Wenn 1500 Medizinstudienplätze als Herzstück der Universität verschwinden, werden auch die 1100 Studienplätze der technischen Studiengänge über die Trave gehen.

Über diese Gefahr wollte die Landesregierung nicht informieren, als sie Ende Mai ihre Sparpläne bekannt gab: "Das Profil der Universität Lübeck wird im mathematisch-naturwissenschaftlichen sowie im medizintechnischen Bereich (...) gestärkt", schrieb die Haushaltsstrukturkommission in ihr offizielles Papier, in dem das Ende der Lübecker Medizin besiegelt wurde - vom Risiko für die gesamte Uni kein Wort, im Gegenteil.

Eine vorher abgefasste Risikoanalyse eines Gutachters für die Kommission aber kam zu einem ganz anderen Ergebnis. In dem Papier, das die Risiken der Sparpläne auflistet und das vom Bündnis "Lübeck kämpft" ins Netz gestellt wurde, heißt es: "Die Universität zu Lübeck ist nach Schließung des Fachbereichs Medizin in Lübeck nicht überlebensfähig." Bis auf die Informatik seien alle anderen Bereiche eng mit der Medizin verzahnt und bräuchten deren Input.

Hoffnung ruht auf den Fraunhofer-Forschern

Zum Worst-Case-Szenario der Spar-Haushälter sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, der mit am Sparpaket geschrieben hatte, die Risiken seien "als sehr gering und beherrschbar bewertet worden". Wissenschaftsminister Jost de Jager (CDU) nannte das Papier, das die Schließung der Uni prophezeit, in einem NDR-Interview überholt.

Vertrauen setzt das Land in die Ansiedlung eines neuen Fraunhofer-Instituts für Marine Biotechnologie. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, sagte dem NDR dazu, das Ende der Medizin schwäche den Forschungsstandort Lübeck. Entschieden werde über das geplante Fraunhofer-Institut am kommenden Freitag in der Bund-Länder-Kommission.

Die Proteststimmung in Lübeck hat inzwischen die ganze Hansestadt erfasst, SPD-Bürgermeisters Bernd Saxe bis zum bekannten Marzipanhersteller Niederegger. Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel - nicht nur an der Uni selbst. Das Ende der Medizin und der angebundenen technischen Studiengänge wäre für in Lübeck ansässige Unternehmen der Medizintechnik ebenfalls ein herber Schlag.

Vor Arbeitsplatzverlusten warnte auch die Arbeitsgemeinschaft Hochschulmedizin, getragen vom Deutschen Hochschulverband und den Berufsorganisationen der Ärzte. Die Uni und der Medizincampus des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein seien mit rund 5000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber in der Region; zudem generiere die Medizintechnik ein Drittel des schleswig-holsteinischen Gewerbesteueraufkommens. Um die zum Verkauf stehenden Uni-Krankenhäuser hat sich der Gesundheitskonzern Rhön-Kliniken beworben. Die Firma hatte 2006 bereits die Uni-Kliniken Gießen und Marburg gekauft.

Schavan schaltet sich ein, aber pssst!

Schleswig-Holsteins Bildungssparpläne stehen in hartem Kontrast zu Bildungs-Bekenntnissen auf Bundesebene. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hatte kürzlich noch gefordert, den Numerus clausus im Medizinstudium abzuschaffen und so den Ärztemangel zu bekämpfen. Und Carstensens Parteifreundinnen Annette Schavan und Kanzlerin Angela Merkel hatten in den vergangenen Wochen stets betont, der Haushaltsposten Bildung sei faktisch unantastbar - bei der Bundesregierung.

Bei einem Treffen zwischen Schavan und Carstensen am Montag in Berlin soll es vor allem um das Schicksal der Universität und des Medizinstudiums gegangen sein. Schavan habe vor Vertrauten gesagt, sie wolle "nicht mit ansehen, wie ein erfolgreicher Studiengang angewickelt wird", berichtet das "Flensburger Tageblatt". "Aus Regierungskreisen" hatte die Zeitung erfahren, dass "nach Hilfsmöglichkeiten gesucht" werde.

Das Treffen habe es gegeben, bestätigte das Bundesbildungsministerium. Mehr sagt Schavans Sprecher dazu nicht, auch nicht, ob die Uni Lübeck oder das Medizinstudium Thema waren. Die Sachlage sei bekanntermaßen schwierig. Was der Sprecher damit meint? Bildung ist reine Ländersache, das Grundgesetz verbietet den finanziellen Einsatz des Bundes auf Landesebene - seit der Föderalismusreform gilt das Kooperationsverbot und macht den Bund noch machtloser. Das nährt bei den Lübeckern nicht gerade Hoffnung auf Hilfe aus Berlin.

Stiftungslösung: Hat da jemand eine halbe Milliarde übrig?

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Helfen könnten den Hanse-Protestierern da schon eher Umfaller in den Reihen der schwarz-gelben Parlamentsmehrheit. Carstensens Koalition hat dort nur einen Sitz mehr als die Opposition. Am Wochenende sagte etwa der FDP-Abgeordnete Gerrit Koch, man könne "nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass ich dem Sparpaket uneingeschränkt zustimme". Neben Koch soll es noch weitere Wackelkandidaten in der FDP-Fraktion geben, die die Sparpläne kritisch sehen.

Unterdessen rätselt die Universität, ob sie das Sparvolumen von 24 Millionen Euro jährlich anders als mit einer Schließung der Medizin zusammen bekommen kann. Uni-Präsident Peter Dominiak erwägt in seiner Verzweiflung die Umwandlung der Lübecker Hochschule in eine Stiftungsuniversität. Der Finanzbedarf für eine Stiftung, die medizinische Lehre und Forschung finanzieren soll, läge allerdings bei einer halben Milliarde Euro, berichtet der "Norddeutsche Rundfunk" am Sonntag.

Schleswig-Holsteins Wissenschaftsminister de Jager kann sich darum nicht vorstellen, wer eine solche Stiftungslösung finanzieren sollte. "Wer soll solche Summen denn stiften?", fragte de Jager in einem Interview der "Lübecker Nachrichten". Es war eine rhetorische Frage, darauf gab er keine Antwort.

mit Material von dpa und ddp