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Schwarzbuch

Wie unfair dürfen Rentner behandelt werden?


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Bereits einige Male wurde über einzelne Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundes-verfassungsgerichts (BVerfG) berichtet, wonach überwiegend Nachteile für die Rentner entstanden sind. Aber auch Urteile mit positivem Ergebnis wurden erwähnt. Allein dieser Umstand könnte möglicherweise eine Verbesserung der Situation bewirken. Dies ist aber nur dann denkbar, wenn solche positiven Entscheidungen auch durch die Rentenversicherung umgesetzt werden würden. Auf die Frage, ob sie dazu denn nicht verpflichtet sei, muss man antworten: eigentlich ja, aber offenbar doch nicht!

Im Klartext: die die Rentner begünstigenden Urteile des BSG zu den Unfallrentnern zur Anhebung der Grundfreibeträge auf Westniveau oder zu den Erwerbsunfähigkeitsrenten zur Rechtswidrigkeit der Kürzung der Rente durch den verringerten Zugangsfaktor werden kategorisch nicht umgesetzt. Die jeweilige Erhöhung der Zahlung wird abgelehnt.

Dieses Schicksal teilt eine benachteiligende Entscheidung selbstverständlich nicht: hier wird sofort eine mögliche Kürzung vorgenommen, sofern diese nicht schon immer vorgenommen wurde. Das jüngste Beispiel: das sogenannte Dynamisierungsurteil des BVerfG. Es besagt, dass die jährlich vorzunehmende Anpassung der Zusatzversorgung ausschließlich nach dem Rentenwert West zu erfolgen hat. Dieser ist aber, da er 1992 schon ein hohes Niveau hatte, in den letzten Jahren prozentual weniger erhöht worden als der Rentenwert Ost, obwohl dieser bekanntlich immer noch 3,16 € pro Punkt unter dem Rentenwert West liegt. Und nur mit diesem geringeren Steigerungsfaktor dürfen die Ost-Zusatzrenten erhöht werden. Das heißt, immer dann, wenn die Anwendung des West-Rechts zu geringeren Zahlbeträgen führt, darf es für die hiesigen Rentner angewandt werden, führt es aber zu einer Erhöhung oder gar Gleichstellung mit den Westrentnern, dann bleibt es beim Ost-Recht.

Dürfen die obersten Bundesrichter das? Sitzt da ein künftiger Ost-Rentner? Wahrscheinlich nicht. Sie werden für diese Art der "verfassungsgemäßen" Rechtsprechung "im Namen des Volkes" auch nicht zur Rechenschaft gezogen.

Die Konsequenz für die Betroffenen: gegen die Entscheidung des BVerfG kann man nur noch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen, der in ca. 7 Jahren oder mehr entscheiden wird.

Für die Umsetzung der wenigen positiven Urteile muss man jedoch weiter kämpfen: lehnen die Rentenversicherer die Mehrzahlung ab, so müssen notgedrungen die Sozialgerichte angerufen werden in der Hoffnung, dass diese nach der Vorgabe ihres obersten Fachgerichtes entscheiden. Nur so kann die Befolgung der Rechtsprechung erzwungen werden, denn die Rentenversicherung betrachtet die genannten Entscheidungen als "Einzelfallentscheidung", die sie eben auch nur im so entschiedenen Einzelfall beachtet. Alles in allem also eine ungünstige, aber nicht aussichtslose Lage, denn in der Regel weichen die unteren Gerichte tatsächlich nicht von den Entscheidungen der oberen Fachgerichte ab. Aber wo kein Kläger seinen Anspruch geltend macht, muss auch kein Richter darüber entscheiden.

Ein kleiner Trost zum Schluss: die Nicht-Umsetzung der Entscheidung zu der Erhöhung der Erwerbsunfähigsrenten trifft die West-Rentner in gleicher Weise! Auch sie können nur wiederum die Gerichte bemühen.

C. Wildgans

Rechtsanwältin u. Mediatorin