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Pressemitteilung von RA von Raumer - 02-10-2007: Bundesverwaltungsgericht verbessert die Chancen


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RA S. von Raumer

Rechtsanwaltskanzlei von Raumer, Meinekestraße 13, 10719 Berlin

Bundesverwaltungsgericht verbessert die Chancen auf Rückgabe bei Industrie- Gewerbe- und Privatgrundstücksenteignungen in der sowjetischen Besatzungszeit

Gleich mit zwei jüngeren Urteilen hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) kürzlich die Rückgabemöglichkeiten für Enteignete in der sowjetischen Besatzungszeit verbessert:

Mit Urteil vom 13. Dezember 2006 – BVerwG 8 C 25.05 - hat das BVerwG festgestellt, dass Enteignungen von Industrie- und Gewerbeobjekten sowie von Privathäusern während der sowjetischen Besatzungszeit dann nicht dem Willen der sowjetischen Besatzungsmacht zugerechnet werden können, wenn es an einer Sequestrierung (Beschlagnahme) gemäß SMAD-Befehl Nr. 124 vor dem 18. April 1948, also noch gut 1 ½ Jahre vor Gründung der DDR, fehlte. Am 18. April 1948 ist der SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 in Kraft getreten, gemäß dessen Ziffer 5 der Befehl der SMAD Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 außer Kraft gesetzt wurde und jegliche weitere Sequestrierung von Eigentum aufgrund dieses Befehls verboten wurde. Das BVerwG wertet dies nun als ein „sowjetisches Enteignungsverbot“ für alle erfolgten Enteignungen, denen keine nachgewiesene Sequestrierung gem. SMAD-Befehl Nr. 124 bis spätestens zum Tag der Veröffentlichung des SMAD-Befehls Nr. 64 in der Täglichen Rundschau am 18. April 1948 vorausging.

Haben, wie dies in vielen Fällen geschah, die deutschen Behörden also enteignet, ohne dass das Objekt vor dem 18. April 1948 sequestriert wurde, so ist diese Enteignung nicht als „besatzungsrechtlich oder besatzungshoheitlich“ iSd § 1 Abs. 8 a VermG zu qualifizieren und es besteht ein Rückgabeanspruch. Soweit die Fläche nach der „Wende“ etwa durch die Treuhandanstalt oder eine ihrer Tochterinstitutionen, wie etwa der BVVG veräußert wurde, besteht einen Anspruch auf den Veräußerungserlös und, soweit der Verkehrswert zum Veräußerungszeitpunkt den Veräußerungserlös überschreitet, auch auf den Verkehrswert des Objekts. Daran ändert sich im übrigen selbst dann nach den Feststellungen des 8. Senats nichts, wenn deutsche Enteignungsbehörden das fragliche Objekt auf eine Enteignungsliste gesetzt haben, die sie der sowjetischen Besatzungsmacht vorgelegt haben. Mit einer solcher bloßen Kenntnisnahme einer deutschen Enteignungsliste habe die sowjetische Besatzungsmacht diese Liste noch lange nicht bestätigt. Trotz einer solchen Listenvorlage bleibe es also bei dem sowjetischen Enteignungsverbot in Ziffer 5 des SMAD-Befehls Nr. 64.

In der prozessualen Praxis bedeutet dies nun, dass das zuständige Vermögensamt in einem Rückgabeverfahren die Beweislast dafür trägt, dass ein in der sowjetischen Besatzungszeit enteignetes Industrie- Gewerbe- oder Privatgrundstück vor dem 18. April 1948 gem. SMAD-Befehl Nr. 124 sequestriert wurde. Kann die Behörde dies nicht beweisen, so besteht der Rückgabeanspruch. Wird die fehlende rechtzeitige Sequestrierung erst heute durch eine Archivrecherche nachgewiesen, so besteht auch die Möglichkeit bereits längst rechtskräftig abgeschlossene Verfahren innerhalb einer Frist von 3 Monaten ab Kenntnisnahme des Antragstellers von den neuen Beweismitteln wieder aufzugreifen.

Mit Urteil vom 07. März 2007 - BVerwG 8 C 28.05 - hat das BVerwG ferner nochmals die Rückgabemöglichkeiten für solche Enteignungen bestätigt, bei denen das Objekt auf einer sowjetisch bestätigten Liste B (Rückgabe) befindlich ist. Das BVerwG stellte dazu nun aber auch fest, dass eine Rückgabeklage von einem Verwaltungsgericht nicht mit dem Argument abgewiesen werden kann, eine solche Aufführung auf einer Liste B sei nicht relevant soweit deutsche Behörden noch nicht mit der Prüfung des Enteignungsfalles zu Ende gekommen wären und nach der Liste B Nennung dann doch zum Ergebnis gekommen wären, das maßgebliche Objekt sei zu enteignen. Vielmehr bedeutete die Benennung auf einer sowjetisch bestätigten Liste B stets ein „sowjetisches Enteignungsverbot“, nach dessen Vorliegen eine spätere Enteignung einer deutschen Behörde nicht mehr der Besatzungsmacht zuzurechnen sei, so dass auch in diesen Fällen Rückgabeansprüche bestünden. Einen rechtlichen Spielraum für abweichende Enteignungsentscheidungen hätten die deutschen Behörden nicht gehabt. Hätten Sie, wie in vielen Fällen, dennoch enteignet, sei dies der Besatzungsmacht nicht zuzurechnen und das Grundstück daher zurückzugeben.

Auch hier gilt: Wenn heute erst eine sowjetisch bestätigte Liste B in einem Archiv gefunden wird, auf der sich das zur Rückgabe begehrte Objekt befindet, kann der Erbe des damaligen Eigentümers innerhalb einer 3 Monatsfrist ab Auffinden dieses Beweismittels auch ein schon rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren wieder aufgreifen. Einige nachweislich sowjetisch bestätigte Listen B mit weit über eintausend Rückgabefällen befinden sich auch bereits in deutschen Archiven und liegen hier schon in Kopie vor. Sie können bei gezielter Recherche mit den Daten des damaligen Eigentümers und den Daten des Vermögenswertes in diesen Archiven aufgefunden und angefordert werden.

Es ist zu begrüßen, dass der 8. Senat erneut entsprechend der damaligen historischen Realität klarstellt, dass nicht etwa alle Vermögensentziehungsmaßnahmen in der sowjetischen Besatzungsmacht dem Willen der Besatzungsmacht zugerechnet werden können und es damit auch schon nach der heutigen Rechtsprechungslage in nicht wenigen Fällen Ansprüche auf Rückgabe und Erlösauskehr bzw. Verkehrswertausgleich für in der sowjetischen Besatzungszeit enteignete Immobilien gibt.

gez. von Raumer, Rechtsanwalt, Berlin