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Schwarzbuch

BODENREFORM: Justizressort äußerte frühzeitig Bedenken ---- MAZ 4.04.2008


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von Igor Göldner

Brisantes Papier des Bundes


POTSDAM - Das Justizministerium in Brandenburg soll im Jahr 2000 offenbar eine andere Rechtsauffassung im Umgang mit Bodenreformland vertreten haben als die übrigen Ressorts der Landesregierung. Das geht aus einer aktuellen Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine Kleine Anfrage zur Bodenreform-Affäre in Brandenburg hervor, die der MAZ vorliegt. Danach erhielt das Bundesjustizministerium aus dem Justizministerium in Potsdam die Auskunft, dass sich das Landesministerium gegen die einst gängige Praxis ausgesprochen hatte.

Damals gängig war, dass sich das Land bis zum Auslaufen einer Verjährungsfrist am 2. Oktober 2000 in rund 10 200 Fällen anstelle unbekannter Erben als Eigentümer von Bodenreformland in Grundbücher eintragen ließ oder dies beantragte. Diese Praxis aber war nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vor vergangenen Jahr „sittenwidrig“. Das Land hatte offensichtlich nicht gründlich genug nach Erben gesucht. Seit dieser Woche beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss des Landtags mit der Affäre. Er will klären, wer die politische Verantwortung dafür trägt.

Die Aussage des Bundesjustizministeriums in der Anfrage der Linken im Bundestag dürfte besondere Brisanz haben. Bislang war öffentlich nicht bekannt, dass es innerhalb der Landesregierung auch andere, offenbar distanzierende Rechtsauffassungen zur gängigen Praxis gab. Das dürfte im Untersuchungsausschuss für Fragen sorgen: Vertraten auch andere Ressort in der Landesregierung eine solche Auffassung? Und wie konnte sich die inzwischen als „sittenwidrig“ angeprangerte durchsetzen?

Eine Rolle dürfte dabei ein Papier spielen, in dem ein Referent des Justizministeriums am 29. Oktober 1999 Zweifel an der Praxis um Erbansprüche von Bodenreformland anmeldete. Nach Auffassung des Referenten sei die Praxis rechtlich nicht zu beanstanden, er äußerte aber Bedenken, ob der Umgang mit den Erbansprüchen auch rechtspolitisch angemessen sei. Doch diese Zweifel blieben in der Folgezeit ungehört – sowohl bei der Hausspitze um Justizminister Kurt Schelter (CDU) als auch in der Staatskanzlei sowie im Finanz- und Innenministerium.

Das Schreiben sei auf Referentenebene an das Innenministerium gegangen und habe sich vor allem um den Teilaspekt der so genannten Vertreterbestellung gedreht, sagte Justizsprecher Thomas Melzer gestern auf Anfrage. „Es handelt sich nicht um eine Gesamtbewertung des Justizministeriums zum Umgang mit Bodenreformland.“

Ein paar Tage später, am 4. November 1999, ging das Schreiben per Fax zur Informationan das Bundesjustizministerium. Der damalige Referent ist inzwischen aus Altersgründen aus dem Dienst in der Potsdamer Justizverwaltung ausgeschieden. (Von Igor Göldner)