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< Fristverlängerung für BRD zum 08.11.2002 > EGMR verlängert der BRD auf Antrag die Frist zur Erwiderung


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Fristverlängerung für BRD zum 08.11.2002

von Dr. Thomas Gertner, 02.10.2002

Der EGMR hat auf deren Antrag hin der BRD die Frist zur Erwiderung auf meine am 22.05.2001 eingereichten 47 Beschwerden gegen das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz, die erstmals am 07.10.2002 ablief, um einen Monat verlängert. Eine weitere Fristverlängerung ist nicht ausgeschlossen. Es ist auch nicht ungewöhnlich, Fristverlängerungen in Anspruch zu nehmen. Auch ich als Rechtsanwalt war darauf schon sehr häufig angewiesen gewesen; denn ich hätte meinem jeweiligen Mandanten sehr geschadet, wenn ich unter Zeitdruck unüberlegte Schriftsätze den Gerichten vorgelegt hätte. Und hier geht es für die BRD nicht nur um sehr viel Geld, sondern um ihr internationales Renomé.

Ich habe dafür sogar Verständnis, da die Beschwerden der BRD in rechtlicher Hinsicht schon Einiges abverlangen, wird doch durch sie die gesamte Rechtsprechung des BVerfG ad absurdum geführt, weil dieses Gericht von dem Untergang des Eigentums während der SBZ/DDR ausgegangen ist und keine Verpflichtung zur Rückgabe von Vermögenswerten angenommen hat, die unter einer früheren, nicht dem Grundgesetz unterworfenen Rechtsordnung eingezogen worden sind. Das ist grundlegend falsch. Ich habe nachgewiesen, dass die Überführung von Vermögenswerten aus der Bodenreform in Volkseigentum von deutschen Kommunisten zwar stets erwünscht, von der UdSSR aber abgelehnt worden ist. Folge ist, dass das Eigentum die Jahre der SED-Herrschaft überdauert habe. Wenn dies der Fall ist, so hat erst die BRD diese Vermögenswerte enteignet, und dies ohne eine am Verkehrswert orientierte Entschädigung.

Ich vermute aber noch ein Weiteres: Die Rückgabe der noch in Staatshand befindlichen Liegenschaften nach verwaltungsrechtlicher Rehabilitierung ist entgegen unserer verständlichen Resignation, in die wir nicht zum ersten Mal und zuletzt sehr gründlich nach dem Urteil vom 21.02.2002 verfallen sind, keineswegs ausgeschlossen. Falsch war es nur gewesen, dass wir mit der Rehabilitierung die Aufhebung der behördlichen Wegnahmeentscheidungen begehrt haben. Über die korrekte Antragstellung hat das BVerwG demnächst zu befinden. Gibt es meinen beiden Nichtzulassungsbeschwerden statt und hebt es die angefochtenen Urteile des VG Dresden bzw. das Urteil des VG Potsdam auf, so haben wir grünes Licht. Denn niemand wird und kann ernsthaft bestreiten, dass die SBZ-Opfer politisch verfolgt worden und als Folge dieser politischen Verfolgung ihr Vermögen eingezogen worden ist. Die Vermögenseinziehungen als solche stellten nicht die politische Verfolgung dar, sondern sie dienten dieser, waren also Mittel zum Zweck (Beschluss des BVerfG vom 09.01.2001). Ich müsste dann die Entschädigungsansprüche, deren Bezifferung darauf beruht, dass die Geschädigten von ihrem Eigentum nichts zurückerhalten, neu berechnen, nämlich kürzen um den Verkehrswert der zurückzugebenden Liegenschaften. Deswegen kann es aus der Sicht der Bundesregierung opportun sein, die Rechtsentwicklung abzuwarten.

Zur Zeit steht nämlich im Raum, dass trotz unstreitiger politischer Verfolgung die Rehabilitierung der Betroffenen verweigert wird, wenn diese Vermögenswerte zurückbegehren. Bleibt es dabei, wäre dies für die BRD eine der größten internationalen nur denkbaren Niederlagen vor dem EGMR wie überhaupt vor einem internationalen Gericht. Die BRD würde gleichgestellt werden mit den schlimmsten postkommunistischen Ostblockländern, wenn nicht sogar in einem noch schlechteren Licht erscheinen. Da ich den Verwaltungsgerichten in meinen letzten Schriftsätzen diese Konsequenzen für die BRD in Straßburg vor Augen gehalten habe, wird man jetzt nicht mehr so sorglos sein.