WiROZ

Schwarzbuch

Diese Finanzkrise ist eine Krise des Westens


Aug, 15
von Klaus Peter Krause


Ihre Ursache hat sie im falschen Geldsystem / Regelverletzungen verschärfen sie

„Es ist die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.“ Mit dieser Kennzeichnung der Lage an den Finanzmärkten hat Jean-Claude Trichet als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) am 9. August begründet, warum die EZB ihre Käufe italienischer und spanischer Staatsanleihen fortgesetzt hat. Die Krise hatte einen neuen Schub erhalten, offenkundig gemacht auch durch den neuen Kursrutsch an den Aktienmärkten. Ist diese Krise, die sichtbar und spürbar nun schon seit 2008 über Märkte, Staaten und Menschen wie ein Dauergewitter herniedergeht, eine Krise der westlichen Welt? Und was ist das für eine Krise, die kurz gerne nur Finanzkrise genannt wird? Ist diese gewaltige, länderübergreifende Krise eine Wirtschaftskrise? Eine Kreditkrise? Eine Bankenkrise? Eine Überschuldungskrise? Eine Dollarkrise? Eine Eurokrise? Eine Staatenkrise? Eine Krise der Wirtschaftsordnung? Gar eine Krise der Marktwirtschaft? Vielleicht auch eine Demokratiekrise? Eine Politikkrise? Also eine Systemkrise?

Marktwirtschaft untergraben, Rechtsstaatlichkeit ausgehöhlt
Tatsächlich ist sie alles zusammen. Mit dem Platzen einer Immobilienblase in den Vereinigten Staaten ist sie offenbar geworden und hat auf andere Märkte, andere Wirtschaftszweige, andere Länder übergegriffen, hat mit ihren Weiterungen schwere, teils ruinöse Folgen für Banken, Unternehmen und das allgemeine Wirtschaftsleben nachsichgezogen. Und von der Krise hauptsächlich getroffen sind die Länder der sogenannten westlichen Welt, an der Spitze die Vereinigten Staaten, die Länder der Europäischen Union, auch Japan. Was sie noch immer Marktwirtschaft nennen, haben sie mehr und mehr verlassen , untergraben und verraten. Wo sie noch immer von Demokratie sprechen, reißt die Exekutive immer mehr Macht an sich, werden die Parlamente zu Akklamateuren erniedrigt. Wo zur Gewaltenteilung eine unabhängige Justiz gehören soll, findet politisch beeinträchtigte Rechtsprechung statt, wird Rechtsstaatlichkeit ausgehöhlt.

Gesetzesgestrüpp zu dicht, Steuerlast zu hoch, wichtige Anreize abgewürgt
Wo mit Gesetzen vorgeblich der Terrorismus bekämpft wird, gehen immer mehr Freiheitsrechte baden, und der liberale Rechtsstaat gleitet hinüber in einen Überwachungsstaat mit gespenstischen Aussichten. Wo Politiker vorwiegend starke Lobby-Gruppen zu Lasten aller anderen bedienen und sich anmaßen, die Bürger mit vermeintlichen Wohltaten zu ihrem Glück zu zwingen, wird das Gesetzgestrüpp immer dichter, die Steuerbelastung immer höher und der Anreiz zur Leistung, Selbsthilfe und Selbstverantwortung systematisch abgewürgt.

Grundsätze missachtet, Ordnungsregeln verletzt
Immer mehr läuft aus dem Ruder, zusehends wird das Bildungswesen ruiniert, Familien der einstige staatliche Schutz entzogen, immer mehr althergebrachte und bewährte Werte werden unterminiert und schwinden dahin, moralischer Verfall macht sich breit – über die „Interdependenz der Ordnungen“ (Walter Eucken) auch im Finanzgebaren von politischen Führungen, Staaten und privaten Marktakteuren. Zuvieles ist aus dem nötigen Ordnungsrahmen herausgerutscht, wurde von den Akteuren in Politik und Wirtschaft auch herausgetrieben. Wichtige Grundsätze sind missachtet, wichtige Ordnungsregeln verletzt, Euckens „konstituierende Prinzipien“ einer markwirtschaftlichen Ordnung, darunter das Haftungsprinzip, verwässert oder ganz außer Kraft gesetzt worden.

Die Geldschöpfung aus dem Nichts
Alles dies und anderes mehr verdichtet sich im Zusammenwirken zu einer Krise. Es ist eine Krise „des Westens“, nicht nur einiger Länder allein. Und die „Finanzkrise“ ist eine Krise des bestehenden Geldsystems und insofern eine Systemkrise. Jedenfalls ist sie das aus der (plausiblen) Sicht der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Für diese Denkweise liegt die Ursache im staatlichen Geldangebotsmonopol und in der überdrehten Ausweitung der ungedeckten Geldmenge. In diesem System wird Geld durch Kreditvergabe geschaffen (Buchgeld) und auf diese Weise die Geldmenge ausgeweitet, ohne dass entsprechende Ersparnisse dahinterstehen. Da dieses Geld durch ein knappes Sachgut wie Gold nicht (mehr) gedeckt ist, lässt es sich – unabhängig von der Gütermenge – beliebig vermehren, ermöglicht es Geldschöpfung aus dem Nichts. Die Folge: Die Geldmenge wächst stärker als die Gütermenge wachsen kann. Das Aufblähen der Geldmenge heißt Inflation. Sie erleichtert es dem Staat, sich zu entschulden, und ist damit zugleich eine schleichende Enteignung der Sparer.

Beliebige Geldvermehrung entfaltet zerstörerische Kraft
Das staatliche Monopolgeld ist keinem Wettbewerb um die Qualität ausgesetzt. Beliebig vermehrbares Geld durch ein Staatsmonopol verliert an Wert, ist daher schlechtes Geld, nur knappes Geld kann gutes Geld sein. Die beliebige Vermehrbarkeit führt notwendigerweise, wie Ludwig von Mises und nachfolgend auch Friedrich August von Hayek in ihrer monetären Konjunkturtheorie gezeigt haben, zu Fehlallokationen der wirtschaftlichen Ressourcen, zu Zyklen von Konjunkturüberhitzung und Konjunktureinbrüchen, vor allem aber zur Überschuldung. Eine Geldordnung mit staatlichem Monopolgeld entfaltet auf schleichende Weise eine zerstörerische Kraft. Mises (1881 bis 1973) hat den Zusammenbruch eines solchen Geldsystems als unabwendbar dargelegt. Der Österreicher und in Wien lehrende Mises war der Begründer der liberalen Schule der Nationalökonomen, auch Wiener Schule genannt. Hayek ist einer seiner Schüler gewesen.


Niedrigzinspolitik der Zentralbanken initiiert Preisblasen

Hinzukommt, dass der Staat mit seiner Zentralbank auch den Zins monopolisiert, ihn manipuliert und damit einen freien (den „natürlichen“) Marktzins aushebelt. Mit ihrem Leitzinssatz, den sie fast schon auf Null gesenkt haben, betreiben die Notenbanken, angeführt von der amerikanischen „Fed“, eine Politik des billigen Geldes. Damit erleichtern sie ihren hochverschuldeten Staaten den Zinsendienst, begünstigen einen verantwortungslosen Umgang mit Geld und besonders die verantwortungslose Aufnahme immer neuer Schulden. Eine solche Zinspolitik verzerrt auch die Preisbildung an den Gütermärkten und bringt die marktwirtschaftlichen Lenkungskräfte durcheinander. Mit solchen künstlich billigen Krediten werden Investitionen getätigt, die sonst vielleicht unterblieben wären, werden Güterpreise hochgetrieben und Preisblasen initiiert. Setzt die Zentralbank den Leitzins herauf, kann das den Schuldner in Zahlungsnot und die Blase zum Platzen bringen. Statt also die wirtschaftliche Entwicklung zu verstetigen, tragen staatlich manipulierte Zinssätze ein unstetes Element zusätzlich in die Märkte.

Der Krise Kern: menschliche Torheit
Aus einer Krise des Geldsystems herausführen kann nur der nachhaltige Wille zu einem schrittweisen Systemwechsel. Doch selbst wenn er gelänge: Es sind stets auch die Menschen, die mit ihrem Verhalten darüber bestimmen, ob das von ihnen geschaffenen System dauerhaft erfolgreich ist. Das setzt eine Klugheit voraus, die es dauerhaft noch nie gegeben hat. Wenn es an dieser Klugheit fehlt, heißt das Politikversagen. Menschliche Torheit ist bei der jetzt herrschenden Krise ihr tieferer Kern.