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KLARTEXT vom 06.12.2006 - Designierte brandenburgische Rechnungshofpräsidentin unter Druck


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KLARTEXT vom 06.12.2006
Designierte brandenburgische Rechnungshofpräsidentin unter Druck

Das Oberverwaltungsgericht Frankfurt/Oder hat in einem Musterprozess den Verkauf eines zu DDR-Zeiten zwangsenteigneten Grundstücks im Jahr 1991 für rechtswidrig erklärt. Das Verfahren ist ein Präzedenzfall. Auf das Land Brandenburg können jetzt Entschädigungsforderungen in Millionenhöhe zukommen. Politisch verantwortlich für die Verkäufe, die in Strausberg und Umgebung stattfanden: der damalige Landrat Fritsch, heute Landtagspräsident in Brandenburg. Kontrolliert wurde er dabei von der zukünftigen Landesrechnungshofpräsidentin Britta Stark.

So was nennt man eine Bilderbuchkarriere: Aus einer Landtagsabgeordneten soll schwuppdiwupp die neue Präsidentin des Landesrechnungshofes werden. Britta Stark heißt die Karrierefrau. Und ihr großer Förderer ist Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck. Da macht es auch nichts, dass die Stelle nicht einmal ausgeschrieben wurde, wie sonst üblich. Die Sache hat einen Riesenwirbel ausgelöst. Jetzt wurde die Entscheidung erstmal vertagt. Doch der Fall Britta Stark birgt noch viel mehr Zündstoff. Andrea Everwien und Sabine Tzitksche berichten.

Er steht ganz oben im Lande Brandenburg: Gunter Fritsch, Präsident des Brandenburger Landtags. Und sie ist auf dem Sprung nach oben: Britta Stark soll Präsidentin des Brandenburger Landesrechnungshofes werden. Zwei wichtige SPD-Politiker – doch es könnte sein, dass sie jetzt von Fehlern aus ihrer Anfangszeit eingeholt werden.

Es geht um ihn: Thomas Scheerer, 56 Jahre alt, von Beruf Gärtner. In Fredersdorf bei Strausberg betreibt er seine Baumschule auf acht Hektar Pachtland– dabei gehörten seiner Familie bis in die 50er Jahre hier mehrere zehntausend Quadratmeter Land.

Thomas Scheerer
„Das war einmal hier das Bodenreformgrundstück von acht Hektar, dann die Gärtnerei, die eigentliche Gärtnerei, mein Geburtshaus von 8000 Quadratmetern, dann in der Platanenstraße ein Flurstück von 20.000 Quadratmetern.“

Schon der Großvater war hier Gärtner, die Familie wohlhabend und angesehen - bis 1953. Da wurde der Vater erst inhaftiert und sollte dann in die LPG eintreten. Das wollte er nicht.

Thomas Scheerer
„Und dann sagte irgendjemand: ‚Du, pass auf, Richard, heute Nacht holen sie dich ab.’ Und dann ist er bei Nacht und Nebel verschwunden.“

Das eigentlich wohlhabende Gärtnerehepaar flüchtete nach West-Berlin und war plötzlich arm. Scheerers Vater hat sich nie von dem Bruch erholt.

Für den Junior war es nach der Wende Ehrensache, die Gärtnerei wieder einzurichten. „Richard Scheerer“ nannte er sie, nach seinem Vater. Doch als er das Land wieder haben wollte, erlebte er nur böse Überraschungen. Die erste beim Bürgermeister von Fredersdorf:

Thomas Scheerer
„Daraufhin sagte er zu mir: ‚Also Herr Scheerer, Unterlagen von Ihrem Vater Ihr Vater, das ist ein total Unbekannter hier, gibt es nicht. Und außerdem’,
sagt er, ‚hab ich mit Wessis nicht viel am Hut, das sind eigentlich doch mehr oder weniger Spekulanten, die hier zurückkommen wollen und den anderen Leuten die Grundstücke wegnehmen wollen.’“

Das ist das wichtigste Grundstück: 20.000 Quadratmeter. Nachdem es zu DDR-Zeiten enteignet wurde, nutzte es eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks: die PGH Ofen und Herd.

Im August 1990 hat Thomas Scheerer beim zuständigen Amt für die Regelung offener Vermögensfragen die Rückgabe des Grundstücks fristgerecht beantragt. Doch er hatte nicht mit Gunter Fritsch gerechnet, damals Landrat im Kreis Strausberg: Fritsch erteilte im Dezember einen so genannten Investitionsbescheid. Dort heißt es:
Zitat:
„Die Verwaltung des Landkreises Strausberg bescheinigt Ihnen (gemeint ist die PGH) hiermit das Vorliegen eines besonderen Investitionszwecks…. Dieser Genehmigungsbescheid dient als Grundlage für die entsprechende Eintragung in das Grundbuch.

Unterschrift: Gunter Fritsch.

Das bedeutet: Der Landrat erwartete, dass die PGH hier Arbeitsplätze schafft. Deswegen sollte sie das bis dahin volkseigene Land bekommen und nicht der Alteigentümer.

Fritsch war nicht allein mit seiner Entscheidung: Aus Frankfurt/Oder bekam er Rückendeckung - von Britta Stark. Die hieß damals Britta Schellin und war soeben eingesetzt als neue Regierungsbevollmächtigte - eine Art Vorgesetzte also für den Landrat. Am 3.Januar 1991 schrieb Britta Schellin an Landrat Fritsch: hiermit
Zitat:
„wird die Kreisverwaltung Strausberg (also der Landrat) ermächtigt, die volkseigenen Grundstücke, die sich in Rechtsträgerschaft der PGH befinden, an die PGH ‚Ofen und Herd’ zu verkaufen.“

So geschah es: Am 11. Februar wird das Grundstück dann in Vollmacht des Landrates verkauft – für 47.800 DM.

Der einzige, der von all dem nichts wusste: Thomas Scheerer. Denn ihn hatte man gar nicht erst angehört. Das belegt ein interner Vermerk, der KLARTEXT vorliegt. Dort heißt es:
Zitat:
„Die Anhörung des…Scheerer unterblieb, da die voraussichtliche Dauer (gemeint die der Anhörung) … den… Erfolg des geplanten Vorhabens der PGH ‚Ofen und Herd’ gefährdet hätte…“

Eine Art zweite Enteignung durch die Behörden also:

Thomas Scheerer
Auf jeden Fall hätte er mich natürlich als Alteigentümer mit einbeziehen müssen, er hätte mich, ich hätte dann mein Konzept vorstellen können und ich hätte unter Umständen dargelegt, also ich hätte meinetwegen 100 Arbeitsplätze geschaffen.

Nach 15 Jahren hat Scheerer jetzt endlich Recht bekommen: Ein Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt hat die Machenschaften von damals als das bezeichnet, was sie sind. Man sei
Zitat:
„mit einer geradezu feindseligen Haltung dem Kläger gegenübergetreten (…), die beispiellos ist und mit rechtsstaatlichem Verwaltungshandeln noch nicht einmal ansatzweise etwas zu tun hat.“

Natürlich haben wir Gunter Fritsch und Britta Stark um Stellungnahmen gebeten. Doch Frau Stark wollte kein Interview geben. Und der Landtagspräsident ließ schriftlich mitteilen:
Zitat:
„Das Investitionsvorranggesetz wurde nicht verabschiedet, um Einzelnen recht viel Eigentum zu verschaffen…“

Der alte Geist also, die alte Melodie.

Auch in der Gemeinde Panketal gab es offenbar solche Absichten. Britta Stark war hier ehrenamtliche Bürgermeisterin. Noch vor ihrer Zeit, im Juni 1989, nahm die Gemeinde diese Grundstücke eines Eigentümers im Westen einfach als Volkseigentum in Anspruch – ohne den Eigentümer auch nur anzuhören. Statt dem Mann nach der Wende sein Land zurückzugeben, zog die Gemeinde noch 1999 gegen ihn vor den Bundesgerichtshof – unter der Bürgermeisterin Britta Stark.

Gern hätten wir gewusst, ob sie diesen Gemeinderatsbeschluss mitgetragen hat – doch wie gesagt: Britta Stark gab KLARTEXT kein Interview. Vor dem Bundesgerichtshof jedenfalls gewann der Alteigentümer. Das Urteil: eine schallende Ohrfeige für die Gemeinde und ihre Bürgermeisterin. Das höchste Gericht stellte fest,
Zitat:
„dass hier in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR nicht ‚alles mit rechten Dingen’ zugegangen ist.“

Und weiter:
Zitat:
„Die Enteignung hat hier(…) den Charakter einer unlauteren Machenschaft.“

Dieser Eigentümer bekam seine Grundstücke zurück. Thomas Scheerer wird das ehemalige PGH-Gelände nicht zurückbekommen, denn inzwischen hat ein Dritter, der Fliesenhändler Böhm, das Land gutgläubig erworben. Doch Scheerer wird Schadensersatz fordern - vom Landkreis.

Thomas Scheerer
„Es ist schon eine ganz schöne Summe.“
KLARTEXT
„Einige Hunderttausend bis zu einer Million Euro?“
Thomas Scheerer
„Jaja, sicherlich, so schätze ich.
KLARTEXT
„Wer muß das zahlen?“
Thomas Scheerer
„Der Steuerzahler natürlich.“

Allein in Strausberg gibt es rund 30 solcher Fälle. Sollten sich alle Alteigentümer dort zur Klage entscheiden, kann der Schaden in die Millionen gehen. Geld, das Brandenburger Kommunen bezahlen müssten. Wenn Britta Stark tatsächlich Präsidentin des Landesrechnungshofes werden sollte, dann müsste sie prüfen, wer für diesen Schaden verantwortlich ist.

Beitrag von Andrea Everwien und Sabine Tzitschke