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Schwarzbuch

Lesenswerter Brief von Dr. J. Wasmuth an J. Gruhle zur Thematik Bodenreform


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      Aus juristischer Sicht ist es wichtig zu betonen, daß die Maßnahmen der sog. Bodenreform seinerzeit zwar als "Enteignungen" bezeichnet wurden. Jedenfalls gegenüber den Betroffenen waren es aber Strafmaßnahmen unter dem offenen Mißbrauch eines strafrechtlichen Entnazifizierungsinstrumentariums. Dabei waren die "Enteignungen" nur eine Rechtsfolge der Verfolgung. Weitere unmittelbare Folgen waren u.a. der Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts, der öffentliche Tadel als Kriegs- und Naziverbrecher, als Vollstreckungsmaßnahme die Vertreibung im Wege des Kreisverweises und - im Zusammenwirken mit sowjetischen Organen - die Internierung, weil dafür 1945 und 1946 noch keine Zuständigkeit deutscher Organe bestand. Diese wurde im Bereich der Entnazifizierung umfassend erst durch den SMAD-Befehl Nr. 201 vom 16. August 1947 eingeführt.

Wichtig - und jeweils vergessen - wird im übrigen der individuelle Strafvorwurf. Zu unterscheiden sind hier die Höfe unter und über 100 ha. Unter 100 ha waren nur die als Nazi- und Kriegsverbrecher von den Kommissionen beschuldigten Personen betroffenen. Die individuellen Schuldvorwürfe waren allerdings nicht in den Bodenreformverordnungen selbst, sondern in Ausführungsbestimmungen dazu geregelt. Gegenüber den Personen mit Höfen über 100 ha hat man es sich besonders einfach gemacht. Hier wurde der Strafvorwurf kraft Gesetzes in den Bodenreformverordnungen erhoben. Dieser lautete der Sache nach: Mitglied der Bande der Großgrundbesitzer und Feudalherren, die per se Nazi- und Kriegsverbrecher sind. Es hat eine eingehende Diskussion gegeben, ob von dieser gesetzlichen Vermutung Ausnahmen für aktive Antifaschisten (spricht Kommunisten) gemacht werden sollten. In manchen Ländern wurde davon abgesehen, in zwei Ländern gab es aber eine in den Ausführungsbestimmungen zu den Bodenreformverordnungen.

Nicht unmittelbar in den Bodenreformverordnungen ergab sich der damit verfolgt Strafzweck. Dieser folgt aber u.a. aus der Präambel zum SMAD-Befehl Nr. 201, aus der Gleichsetzung der Bodenreformkommissionen mit den SMAD-Befehl Nr. 201-Sonderstrafgerichten und daraus, daß die Verfolgung durch die Bodenreform ausdrücklich auf das Potsdamer Abkommen gestützt wurde. Die parallele Verfolgung im Rahmen der sog. Industriereform ist insofern konkreter. In der ersten maßgeblichen Rechtsgrundlage dazu, den Richtlinien zum sächsischen Volksentscheid, ist der Strafzweck ausdrücklich festgehalten. Er ergibt sich auch aus diversen anderen Gesetzesmaterialien. In Berlin war die sog. Industriereform ohnehin bereits unmittelbar auf die KRD Nr. 38 gestützt worden, die in SBZ und DDR aufgrund der Anordnung im SMAD-Befehl Nr. 201 und der dazu erlassenen Ausführungsbestimmung Nr. 3 ausschließlich als Strafgesetz angewandt wurde.

Der Begriff der "Enteignung" hatte im kommunistischen Sprachgebrauch nicht nur verwaltungs-, sondern gerade auch strafrechtlichen Charakter. Wenn man in der Bundesrepublik Deutschland davon spricht, wird aber immer gleich der Strafcharakter ausgeblendet, weil die strafrechtliche Verwendung des Begriffs dem bundesdeutschen Recht völlig fremd ist.

Unrechtsakte, deren Unrechtsgehalt sich in einer bloßen Enteignung erschöpfen, lösen lediglich Ansprüche nach dem Vermögens- bzw. nach dem Ausgleichsleistungsgesetz aus. Strafrechtliche Verfolgungen sind dagegen von weitaus größerem Gewicht. Für sie gibt es strafrechtliche Rehabilitierungsansprüche, wonach die Maßnahmen aufgehoben und für rechtsstaatswidrig erklärt werden und dann weitergehende Folgeansprüche auslösen. Rückgabeansprüche sind dabei auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Verfolgung unter Besatzungshoheit erfolgt ist (vgl. § 1 I, § 3 II StrRehaG, § 1 VII VermG.

Mit freundlichen Grüßen

Johannes Wasmuth