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Schwarzbuch

Dr. Johannes Wasmuth ./. Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium der Justiz - VG 2 K 98.09 -


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Verwaltungsgericht Berlin

- 2. Kammer -

Kirchstraße 7

10557 B e r l i n

In dem Verwaltungsrechtsstreit

Dr. Johannes Wasmuth ./. Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium der Justiz

- VG 2 K 98.09 -

nehme ich zum Schriftsatz der Beklagten vom 25. Januar 2010 wie folgt Stellung:

I.

Es ist sicherlich zutreffend, daß verfahrensgegenständlich allein ein Anspruch des Klägers nach dem Informationsfreiheitsgesetz ist. Das Gewicht des dadurch begründeten Informationsinteresses hat allerdings sehr wohl mit den inhaltlichen Umständen der Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz gegenüber dem Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages zu schaffen. Dabei geht es schließlich um nicht weniger als den Umstand, daß der dringende Verdacht besteht, das Ministerium habe noch nach nahezu 20 Jahren seit Herstellung der deutschen Einheit den Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages über Anlaß, Ausmaß und Rechtsgrundlagen der Verfolgung im Rahmen der nach kommunistischem Sprachgebrauch als Boden- und Industriereform bezeichneten Terrormaßnahmen und über die deshalb für die Aufarbeitung dieses Unrechts geltenden Vorschriften in wesentlicher Hinsicht unvollständig und nachweislich falsch sowie in einer Weise berichtet, die das stalinistisch geprägte Unrecht maßgeblich verharmlost.

Dieser dringende Verdacht gegenüber einem Recht und Gesetz in besonderem Maße verpflichteten Bundesministerium ist ein in jeder Hinsicht schwerwiegender Vorgang. An dessen Aufklärung besteht im Rechtsstaat ein erhebliches öffentliches Interesse, das es nicht zuläßt, solche Handlungsweisen eines Bundesministeriums den Augen der kritischen Öffentlichkeit zu entziehen.

Angesichts dieses maßgeblichen Öffentlichkeitsinteresses, dessen Befriedigung die im Informationsfreiheitsgesetz geregelten Ansprüche dienen, müßte die Beklagte schon Gesichtspunkte von erheblichem Gewicht aufbieten können, um darauf ihren Antrag auf Klageabweisung stützen zu können. Diese sind nach ihrem gesamten Vortrag aber nicht einmal im Ansatz erkennbar.

II.

Aus dem Umstand, daß die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages nicht in den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes fällt, läßt sich schlicht nichts für die Annahme der Beklagten herleiten, die streitgegenständlichen Stellungnahmen des Bundesministeriums der Justiz könnten deshalb nicht von diesem Gesetz erfaßt sein. Die Abfassung von Stellungnahmen der Bundesverwaltung, zu der das Bundesministeriums der Justiz auch nach Auffassung der Beklagten gehört, bleibt reine Verwaltungstätigkeit und zwar auch dann, wenn diese nachträglich an einen Parlamentsausschuß versandt und gar ausschließlich zu diesem Zweck abgefaßt werden.

Vor diesem Hintergrund ist es rechtlich schief, wenn die Beklagte vorträgt, die Stellungnahmen des Bundesministeriums der Justiz seien „Teil des parlamentarischen Petitionsverfahrens“. Es ist schon fraglich, was die Beklagte mit einer solchen Aussage an rechtlich auch nur einigermaßem Relevantem zum Ausdruck bringen möchte. Maßgeblich ist vielmehr allein, daß die Stellungnahme nichts als ein bloßes Erkenntnismittel für den Petitionsausschuß darstellt wie jedes andere Beweismittel, die Zeugenaussage eines Betroffenen oder sonst Beteiligten eingeschlossen. Zeugen handeln damit trotzdem nicht als Verfassungsorgane. Und außerdem: Ein Sachverständigengutachten oder eine Zeugenaussage sind natürlich Erkenntnisquellen für den Richter. Damit mutieren sie aber nicht zu einer richtlichen Tätigkeit. Nichts anders gilt für die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages, der für seine Entscheidungstätigkeit verwaltungsrechtliche Stellungnahme der maßgeblichen Verwaltungsbehörden einholt.

Die Beklagte meint erneut, die von ihr erstellte Stellungnahme sei „keine materiell-rechtliche Verwaltungstätigkeit“. Vielmehr sei damit eine „verfassungsrechtliche Verpflichtung“ erfüllt worden. Insofern bliebt es das Geheimnis der Beklagten, was dieser Umstand an der nicht ernsthaft zu bestreitenden materiell-rechtlich Verwaltungstätigkeit des Bundesministeriums der Justiz ändern soll. Oder meint die Beklagte ernsthaft, eine Baubehörde, die gegen einen Bauherrn einschreitet, weil dieser die Eigentumsrechte seines Nachbarn schwer und unerträglich beeinträchtigt, und die damit - jedenfalls nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG (a.A. aber Wasmuth, NVwZ 1987, 322ff.) - einer unmittelbar sich aus Art. 14 I GG, also einer sich aus der Verfassung ergebenden Pflicht nachkommt, mutiere deshalb zu einem verfasungsrechtlich agierenden Verfassungsorgan? Das ist, bei allem Respekt vor den Baubehörden, doch wirklich ein wenig zu viel der Ehre!

Die Beklagte meint des weiteren, mit der Herausgabe der Stellungnahmen würden „Rechte des Parlaments“ unterlaufen. Welche dies sein und worauf diese gestützt sein sollen, teilt sie wohlweislich nicht mit: Solche Rechte gibt es nämlich schlicht nicht.

Im übrigen möge die Beklagte einmal näher erläutern, wie die interne parlamentarische Willensbildung beeinträchtigt werden können soll, wenn Unterlagen nach Abschluß des parlamentarischen Verfahrens, der unstreitig eingetreten ist, herausgegeben werden. Unabhängig davon zeugt es schon von einer gewissen Dreistigkeit, wenn die Beklagte vorträgt, es sei „ausschließlich dem Parlament vorbehalten, ob und welche Teile dieses grundsätzlich nicht öffentlichen Verfahrens offengelegt werden, unabhängig davon, wo sie aufbewahrt werden,“ obgleich der Beklagten jedenfalls aufgrund der vom Kläger mitgeteilten Links im Internet bekannt ist, daß der Deutsche Bundestag selbst die maßgeblichen Vorgänge veröffentlicht hat. Vor diesem Hintergrund ist es auch unverständlich, wie die Beklagte auf die Idee kommen kann, „durch die verlangte Herausgabe der Stellungnahme würden die von einem selbständigen Verfassungsorgan beanspruchten Rechte beeinträchtigt“. Die Beklagte möge dazu zunächst einmal „Roß und Reiter“ benennen.

Da es die von der Beklagten behaupteten Rechte des Deutschen Bundestages nicht gibt, besteht kein Anlaß, dessen Petitionsausschuß in diesem Verfahren beizuladen, was die Beklagte anregt. Eine Beiladung kommt nach § 65 I VwGO nur gegenüber Personen oder Personenvereinigungen in Betracht „deren rechtliche Interesen durch die Entscheidung berührt werden.“ Davon kann vorliegend ernsthaft keine Rede sein.

III.

Abschließend teile ich mit, daß Herr Haars mit dem Kläger Kontakt aufgenommen und mitgeteilt hat, er sei jederzeit bereit, eine verbindliche Erklärung abzugeben, wonach er der Herausgabe der streitgegenständlichen Stellungnahme zustimmt. Sollte die Kammer eine solche Erklärung noch für streitentscheidend halten, bitte ich um einen entsprechenden richterlichen Hinweis. Die Erklärung werde ich dann zeitnah zu den Akten reichen. Entsprechendes gilt auch für eine solche Erklärung des Herrn Pfeiffer.

2 Abschriften für Gegenseite anbei.

(Rechtsanwalt)