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EU-Agrarhilfen ...Spiegel Online -17/06/09


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Experten rügen Subventionswahn

Von Susanne Amann

Zuckerkonzerne, Rinderzüchter ohne Rinder und ein Brillen-Millionär - die Offenlegung der Agrarsubventionen zeigt, dass EU-Gelder nicht bei denen ankommen, die sie wirklich brauchen. Angesichts der Auswüchse bei den Beihilfen fordern Experten die Reform der Milliardenhilfen.

Hamburg - 34,4 Millionen Euro bekommt Südzucker, 10,2 Millionen Euro gibt es für Schleswig-Holstein, über acht Millionen kriegt der Kartoffelstärkeproduzent Emsland und selbst für den inzwischen abgewickelten Agrar-Marketingverein CMA gab es im vergangenen Jahr noch fast sechs Millionen Euro - das alles zeigen die am Dienstag nach langem Streit veröffentlichten Zahlen über die Empfänger von Agrarbeihilfen in der Europäischen Union.

 

 Subventions-optimierte Betriebe schöpfen gezielt Geld ab
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AP

Traktor auf einem Feld: Subventions-optimierte Betriebe schöpfen gezielt Geld ab

Doch das ist nur die Spitze des Eisberges: Wer sich durch die Datenbank der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) kämpft, dem wird klar, wie viele Absurditäten sich in dem Subventionssystem für Bauern finden. Da gibt es zum Beispiel das Gut Klein Wanzleben, das im vergangenen Jahr insgesamt mehr als 2,6 Millionen Euro aus dem Topf der EU bekommen hat. Allerdings nicht für die Schweine, die dort gemästet werden, sondern für die Rinder, die dort schon lange nicht mehr weiden. Denn in den neunziger Jahren wurde zu viel Rindfleisch produziert, deshalb einigte sich die EU im Jahr 2001 darauf, den Bauern Entschädigung zu zahlen, die sich von ihren Rindern trennten - und sie zahlt bis heute.

Geld für den Biohof des Brillen-Krösus

Oder es gibt Günther Fielmann, dem die gleichnamige Optikerkette gehört und der unter anderem auf seinem Hof in Lütjensee Biolandwirtschaft betreibt. Dafür bekam er im vergangenen Jahr 489.192 Euro von der EU. Auch der Hof von Carl-Albrecht Bartmer, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), wurde im vergangenen Jahr mit 365.984,83 Euro gefördert. Bartmer ging nach der Wende nach Ostdeutschland, hat das Gut Löbnitz übernommen und betreibt dort in großem Stil durchrationalisierte, industrielle Landwirtschaft: Mit wenigen Menschen viel Ertrag auf viel Fläche erwirtschaften. Und die LSG Zollzweckgemeinschaft, eine Tochterfirma der Lufthansa, erhielt immerhin noch 106.276 Euro. Dafür, dass der Airline-Caterer auf den Flügen über die EU-Grenzen hinaus Zucker, Kaffeesahne und Brötchen serviert - also Agrarprodukte exportiert.

 

Die Beispiele zeigen: Die Milliarden, die die EU jedes Jahr unter dem Stichwort Agrarsubventionen verteilt, erreichen längst nicht nur jene, die sie wirklich brauchen. "Die rund sechs Milliarden Euro, die in Deutschland ausgegeben werden, gehen schon lange nicht mehr nur an landwirtschaftliche Betriebe, sondern auch an die Lebensmittelindustrie, Futtermittelhersteller und Exporteure von Agrarprodukten", sagt Martin Hofstetter, Agrarexperte von Greenpeace. "Das Problem ist, dass das Geld weder nach Bedürftigkeit verteilt, noch nach bestimmten Kriterien wie Umwelt- und Tierschutz oder Arbeitsplatzerhalt vergeben wird." Stattdessen gebe es inzwischen "subventions-optimierte" Betriebe, die gezielt Geld abschöpften.

Dass der gesamte Agrarsektor überhaupt so hoch subventioniert wird, ist historisch bedingt: Um eine Eigenversorgung mit Lebensmitteln zu gewährleisten und die Produktion anzukurbeln, wurden die Preise von Lebensmitteln seit den sechziger Jahren künstlich hochgehalten - auch, weil damals noch ein großer Teil der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig war. Zwar änderte sich im Laufe der Jahrzehnte die Art der Unterstützung - statt produktbezogener Prämien gibt es inzwischen direkte Zahlungen an die Bauern. Doch mit 40 Milliarden Euro haben die Agrarsubventionen immer noch den höchsten Anteil im Haushalt der EU.

Subventionen zerstören Landwirtschaft in Afrika

"Alle reichen Industrienationen verfolgen eine Politik der Subventionierung der Erzeugerpreise - auch wenn das nicht sinnvoll ist", sagt Harald von Witzke, Agrarökonom an der Humboldt-Universität Berlin. Das Ziel, die Nahrungsmittelversorgung zu sichern, sei nachvollziehbar, könne inzwischen aber auch anders erreicht werden: "So ist zum Beispiel eine Vorratshaltung deutlich billiger als die andauernde Produktion."

 

WER VON DEN AGRARSUBVENTIONEN PROFITIERT

Bergwacht und Ponyclub

Auch die Bergwacht in Sigmaringen kassierte mit. Ebenso der Ponyclub auf Helgoland, der Wäller Hornviehclub im saarländischen Homburg oder eine Fachklinik Oldenburger Land. Viele Empfänger der jetzt (bis auf Bayern) veröffentlichten Liste mit den deutschen Beziehern von EU-Agrarsubventionen sind auf Anhieb nicht als die eigentlichen Adressaten erkennbar. Sogar rund 190 deutsche Städte oder Stadtwerke profitieren etwa davon. Auch mehrere Kunsthäuser wie das Emsland Moormuseum. Selbst Hochschulen stellten erfolgreich Anträge. Mehr als 100 000 Euro strich allein die Universität Hohenheim ein.

Klöster und Gestüte

Rund deutsche 20 Klöster sammelten ebenfalls EU-Gelder ein, in einem Fall einen Betrag von knapp 300 000 Euro. Zu den Direktempfängern gehören auch 17 Gestüte, vom Rennstall Zoppenbroich bis zum ehemaligen Springreiter-Ass Alwin Schockemöhle. Für Auto- Erben Wolfgang Porsche blieb noch ein kleiner Betrag übrig. Zu den Empfängern gehören weiter diverse Stiftungen. Knapp 612 000 Euro aus Brüssel konnte etwa die Hessische Hausstiftung verbuchen, die vor allem die Kunstsammlung der früheren Herrscherfamilie samt Weingut verwaltet.

Politiker

Neben vielen zum Teil kuriosen Zahlungen konnten sich auch eine Reihe von Politikern mit Hof- oder Landbesitz über EU-Hilfen freuen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Röring, dem ein Schweinemastbetrieb im Ostwestfälischen gehört, kam laut Internet- Liste auf mehr als 38.000 Euro Förderung. Noch 1000 Euro mehr wurden seinem Fraktionskollegen Bernhard Schulte-Drüggelte überwiesen, der am Möhnesee einen historischen Gutshof besitzt. Mit gut 11.000 Euro ist auch der FDP-Wirtschaftsexperte Paul Friedhoff dabei, dessen Familie im Oldenburger Münsterland einen "Erlebnis"-Bauernhof betreibt.

Deutscher Bauernverband

Zum Teil weit stattlichere Beträge flossen aus Brüssel an Spitzenfunktionäre des Deutschen Bauernverbandes, der bis zuletzt die Veröffentlichung verhindern wollte. So gingen an den schleswig-holsteinischen Verbandschef Werner Schwarz, der in der Nähe von Bad Oldesloe ein Gut betreibt, 162.000 Euro. Sein saarländischer Amtskollege Klaus Lafontaine kam auf 117.000 und der rheinische Verbandspräsident Friedhelm Decker auf 50.000 Euro. Ein Landwirtschaftsbetrieb in Bad Langensalza, bei dem Thüringens Bauern- Präsident Klaus Kliem Geschäftsführer ist, bekam 1,6 Millionen aus den Brüsseler Kassen.

Doch nicht allein deshalb sind die Milliardenzahlungen in der Kritik. Die hochsubventionierte, europäische Landwirtschaft führt auch dazu, dass gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern landwirtschaftliche Strukturen zerstört werden. "Durch die Subventionen können europäische Produzenten ihre Produkte zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt anbieten - was dazu führt, dass heimische Lebensmittel etwa in afrikanischen Ländern nicht mehr wettbewerbsfähig sind", sagt Marita Wiggerthale von der Entwicklungsorganisation Oxfam. Beispielsweise sei Milchpulver aus der EU in Afrika oftmals sogar billiger als einheimische Frischmilch. "Große Molkereien wie etwa Campina erhalten Subventionen, während afrikanische Kleinbauern mit den Dumpingpreisen nicht mithalten können."

 

FORUM

"Generell zerstört die hohe Subventionierung in Entwicklungsländern langfristig die dortige Landwirtschaft", sagt auch Agrarökonom von Witzke. Er fordert deshalb eine völlige Liberalisierung der Agrarmärkte - ohne Subventionierung und ohne Grenzen für bestimmte Produkte. Denn obwohl die Europäer den Export ihrer eigenen Agrarprodukte großzügig unterstützen, sind sie umso strenger, wenn es darum geht, die Erzeugnisse anderer Länder in die EU zu lassen. "Es gibt bei uns zum Beispiel keine neuseeländische Butter oder brasilianischen Zucker - obwohl das günstiger wäre", sagt Agrar-Experte Hofstetter.

Tabelle im Anhang

 

Die Top-10-Empfänger in Deutschland   Name, Ort Subventionen* 1 Südzucker AG, Mannheim (Baden-Württemberg) 34.365.579,87 2 Land Schleswig-Holstein, Kiel 10.277.767,82 3 Emsland Stärke, Emlichheim (Niedersachsen) 8.124.878,77 4 August Töpfer, Hamburg 7.393.378,99 5 CMA, Bonn 5.828.023,93 6 Doux Geflügel, Grimmen (Meck.-Pom.) 4.691.352,57 7 LVLF, Brandenburg 4.416.449,07 8 AVEBE Kartoffelstärkefabrik, Dallmin (Brandenburg) 4.279.487,81 9 Osterhuber Agrar, Wilhelmsburg (Meck.-Pom.) 4.038.552,87 10 Gausepohl Fleisch, Dissen (Niedersachsen) 3.632.751,66 *in Euro, Quelle: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung

Kein Wunder also, dass sich die Agrarlobby über Jahre so vehement gegen eine Veröffentlichung der Subventionsempfänger gewehrt hat - denn sie profitiert von der undurchschaubaren und komplizierten Machart der Hilfen. Doch das System bröckelt - auch wenn die Bayern sich noch sperren und damit noch immer nicht alle Zahlen über die Nutznießer bekannt sind. Lange werden sie damit nicht mehr durchkommen, denn die EU will ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

Spätestens danach wird sich die Veröffentlichung nicht mehr verhindern lassen - und damit auch die lang überfällige Diskussion um Sinn und Unsinn der Subventionen.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,631016,00.html

 

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