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Grußwort von Axel Vogel zum 16. ARE-Bundeskongress


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Grußwort von Axel Vogel, Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag,

zum ARE-Bundeskongress am Freitag, 19.04.2013

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie haben sich einen sehr passenden Tagungsort für den ARE-Bundeskongress ausgesucht. Vom Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte heißt es, dass es ein lebendiges Forum für die Beschäftigung mit der Geschichte bietet. Ich wünsche Ihnen das auf jeden Fall: eine lebendige Diskussion über ein prägendes Kapitel deutscher Geschichte, das bis heute nachwirkt – oft auch schmerzhaft.

Bei der Abwicklung der Bodenreform und den damit einhergehenden Eigentumsauseinandersetzungen nach 1989 ist nicht nur, aber besonders in Brandenburg der Glaube an den Rechtsstaat bei vielen Menschen erschüttert worden. In der von unserer Fraktion initiierten Enquetekommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur haben wir deshalb die strittigen Eigentumsfragen zu einem Schwerpunkt gemacht. Die Kommission hat sich daraufhin im letzten Jahr in vielen Sitzungen mit der Transformation der Landwirtschaft in Brandenburg und den damit verbundenen Problemen befasst. Zum ersten Mal wurde dadurch im Landtag der Unfrieden thematisiert, der sich im Laufe der 90er Jahre über Teile des ländlichen Raums legte. Dabei haben wir nicht nur über die Probleme gesprochen, sondern erstmals auch Betroffene zu Wort kommen lassen und vor allem: nach Lösungsmöglichkeiten gesucht. Vielen ist erst durch diese Diskussionen – und durch das große Engagement von Herrn Graf von Schwerin, Dr. Purps, Frau Wildgans und vielen anderen – klar geworden, was genau eigentlich alles falsch gelaufen ist. Worin die Ungerechtigkeiten bestehen bei den umstrittenen LPG-Umwandlungen, bei anonymen Neusiedlererben und bei dem oft endlosen Streit um in den 90er Jahren entzogenes Bodenreformland.

Aus meiner Sicht sind das keine Themen von gestern. Im Gegenteil: wir wollen jetzt und heute einige der aus unserer Sicht schwerwiegendsten Probleme angehen. Dabei zählen wir auch auf die Arbeit der ARE, die sich seit Jahren im Sinne der vielen Betroffenen engagiert.

Zwei Themen stehen für uns im Mittelpunkt:

Erstens: die verkrachten LPG-Umwandlungen. In der Enquetekommission hat Prof. Walter Bayer eindrücklich geschildert, dass zahlreiche LPG-Nachfolger in Brandenburg nie rechtswirksam entstanden sind, wenn man die Kriterien der Rechtsprechung zugrunde legt. Mal waren es unsaubere Bilanzen, mal die fehlende Beteiligung der LPG-Genossen bei der Umwandlung Anfang der 90er Jahre, nicht selten gab es massive Fehler der Registergerichte. Fast 40 LPG's sind auf diese Weise nach Einschätzung von Prof. Bayer nie rechtswirksam entstanden, in fast allen Fällen sind die Rechte der Genossen in der einen oder anderen Form verletzt worden. Wir haben jetzt der Landesregierung eine bislang unveröffentlichte Liste mit den Namen der betroffenen LPG's vorgelegt und fordern Aufklärung: Wie bewertet die Landesregierung die Rechtslage? Was muss aus ihrer Sicht passieren? Bis Ende April hat die Landesregierung Zeit, der Enquete diese Fragen zu beantworten. Wir werden uns dann auch mit der ARE beraten, wie wir mit den Auskünften der Landesregierung umgehen.

Zweites und für uns ebenso zentrales Thema: die Neusiedlererben, denen ihr Bodenreformeigentum nach 1992 durch das Land entzogen wurde. Aus unserer Sicht ist die Ungleichbehandlung von Bodenreformeigentümern nach 1992 mit einer der schwerwiegendsten Fehlentscheidungen im Prozess der deutschen Wiedervereinigung verbunden. 1990 wurde versprochen, dass Bodenreformeigentum wieder vollwertiges Eigentum ist, nur um zwei Jahre später mit den „schwarzen Enteignungen“ der Regierung Kohl zu beginnen. Manche durften danach ihr Land behalten, andere nicht – weil sie nicht in der LPG waren oder zu einem ausgesuchten Stichtag nicht mehr in der Land- oder Forstwirtschaft arbeiteten. Diejenigen wiederum, die sich erst nach dem Jahr 2000 um ihr Eigentum bemühten, bekommen es nun – ohne irgendwelche Vorbedingungen.

Mit unseren Vorstellungen von Gerechtigkeit hat das nichts zu tun! Wir haben deswegen schon vor Jahren nach Lösungsmöglichkeiten gesucht; nun zeichnet sich tatsächlich ein Ausweg aus der verfahrenen Situation ab. Ich habe im Landtag vor kurzem darauf hingewiesen: Seit diesem Jahr kann das Land – und nicht mehr der Bund – selbst entscheiden, was mit den Flächen passieren soll, die in den 90er Jahren eingezogen wurden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden sich dafür einsetzen, dass die entzogenen Flächen entweder zurückgegeben werden oder, wenn das nicht mehr möglich ist, zumindest eine Verkehrswertentschädigung gezahlt wird. Wir werden dazu in Zusammenarbeit mit dem Potsdamer Juristen Dr. Torsten Purps einen Gesetzentwurf im Landtag einbringen und dafür auch bei den anderen Fraktionen um Unterstützung werben. Wir streben einen gemeinsamen Gesetzentwurf an, hoffen aber, dass andere sich an dieser Initiative beteiligen. Ein Gesetzentwurf ist noch kein Gesetz: von Seiten der rot-roten Regierungskoalition scheint es bisher kein besonderes Interesse an einer Lösung im Sinne der Betroffenen zu geben. Im Gegenteil: der LINKE-Finanzminister behauptete noch vor wenigen Wochen, dass Bodenreformeigentum ohnehin nicht vererbbar gewesen sei. Das ist so ärgerlich wie falsch. Hier liegt noch einiges an Arbeit vor uns.

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit der Einsetzung der Enquetekommission Aufarbeitung hat Brandenburg ein wichtiges Zeichen gesetzt. Jetzt geht es darum, aus den Erkenntnissen der Kommissionsarbeit Politik zu machen. Erste Erfolge gibt es bereits: die Rehabilitationsbehörden haben mehr Mitarbeiter erhalten, für die Gedenkstättenarbeit wird mehr Geld zur Verfügung gestellt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass auch einige der schwerwiegendsten Probleme bei der Umgestaltung der brandenburgischen Landwirtschaft nun angegangen werden und zählen dabei auch auf die Unterstützung der ARE.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg und eine produktive Arbeit auf Ihrem Kongress und dem Mitgliedertreffen!

Axel Vogel