WiROZ

Schwarzbuch

Bodenreform-Affäre:ausgebremste Politiker. Die Parteien ziehen Bilanz u.liegen in ihren Bewertung gar nicht so weit auseinander


| | | |

POTSDAM - Horst Mentrup ist 57 Jahre und hat einen hoch dotierten Job als Geschäftsführer der landeseigenen Lotto-Gesellschaft. Von Mai 1996 bis Januar 2001 war er Staatssekretär im Finanzministerium. In dieser Zeit fielen alle grundlegenden Entscheidungen über den Umgang Brandenburgs mit Bodenreformland.

Doch weder von der Erbensuche, die später als lückenhaft und schlampig bezeichnet wird, noch vom verhängnisvollen Rechtskonstrukt der sogenannten Vertreterbestellung (das Land trug sich, um eine Verjährungsfrist zu umgehen, als Eigentümer unbekannter Erben in Grundbücher ein) hat er nichts mitbekommen. „Daran habe ich keine Erinnerung“, sagte Mentrup am Dienstag vor dem Untersuchungsausschuss. Mentrup, dessen Befragung deshalb nur von kurzer Dauer war, ist nicht der einzige Politiker mit Erinnerungslücken. Seine damalige Ministerin Wilma Simon konnte sich im Juni 2008 auch an nichts erinnern. Und das ging munter weiter. Der Ausschuss hat am Dienstag seine Vernehmungen beendet. Jetzt wird der Abschlussbericht erarbeitet, der im März vorliegen und im April im Landtag debattiert werden soll. Geht man von den Erfahrungen anderer Ausschüsse aus, gibt es am Ende nicht nur einen Bericht. Die Regierungsfraktionen SPD und CDU legen ihren vor und die Linkspartei ein Minderheitenvotum. Diesmal allerdings wird nicht ausgeschlossen, dass ein gemeinsamer Abschlussbericht möglich ist. Denn die Meinungen gehen lediglich in einzelnen Nuancen auseinander. Als erwiesen gilt, dass die Fachebene des Finanzministeriums ohne Rückkopplung mit der politischen Führung des Hauses agierte und alle wichtigen Entscheidungen allein traf. Das betraf neben der Erbensuche über private Recherchefirmen und der „Vertreterbestellung“ auch den Gang vor den Bundesgerichtshof. Abteilungsleiter im Finanzministerium war (und ist bis heute) Helmuth Baesecke. Vor dem Ausschuss begründete er sein Agieren so: „Es handelte sich um eine rein rechtliche und keine politische Frage.“ Bei seiner letzten Zeugenbefragung nahm er sogar die komplette Verantwortung auf sich, zeigte aber keinerlei Schuldgefühle oder Gewissensbisse. Baesecke, der 1990 als „Aufbauhelfer“ nach Brandenburg kam, geht demnächst aus Altersgründen in den Ruhestand. Zur gescheiterten Erbensuche sagte er: „Ein gewisser Bodensatz bleibt übrig, der nicht ausrecherchiert werden konnte.“ Das wiederum empört die Linke. „Wer nicht gefundene Erben als Bodensatz bezeichnet, hat kein Gefühl für Verhältnismäßigkeit“, sagte Obmann Christian Görke. Dierk Homeyer von der CDU kennt Baesecke noch vom Untersuchungausschuss zum Desaster der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG). Die politische Führung des Finanzressorts hätte informiert werden müssen, sagt Homeyer. Diese hätte einen neuen Kabinettsbeschluss formulieren oder den Landtag einbeziehen müssen. „Der Umgang mit Bodenreformflächen war von immenser politischer Bedeutung“, betonte Homeyer, der sich überdies wundert, mit welchen Vollmachen eine Verwaltungsebene ausgestattet werden konnte. Die SPD kritisiert wie CDU und Linke, dass die politische Hausspitze nicht informiert wurde und dass die Erbensuche unzureichend war. Die Abgeordnete Susanne Melior benutzt nur mildere Worte: „Das lief suboptimal und darf sich nicht wiederholen.“

(Von Igor Göldner)

  Chronologie der Bodenreform-Affäre 7. Dezember 2007: Der Bundesgerichtshof (BHG) verkündet sein Urteil: Danach hat sich Brandenburgs Landesregierung zu Unrecht als Eigentümer von rund 10.000 Flächen unbekannter Erben in Grundbücher eintragen lassen. Diese Praxis sei „wegen Missbrauchs der verliehenen Vertretungsmacht sittenwidrig und nichtig".

21. Februar 2008: Brandenburg lässt alle Ansprüche auf die rund 10 000 Grundstücke fallen. Zugleich werden die unrechtmäßigen Grundbucheintragungen des Landes als Eigentümer des Grundstückes korrigiert, wie Finanzminister Rainer Speer (SPD) erklärt.

27. Februar 2008: In seiner Regierungserklärung vor dem Landtag bedauert Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), „dass sich das Land in einer Vielzahl von Fällen fehlerhaft verhalten hat und dadurch das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert wurde".

4. März 2008: Der Untersuchungsausschuss (auf Antrag der Linkspartei) konstituiert sich im Potsdamer Landtag. Den Vorsitz übernimmt turnusgemäß die SPD mit der Abgeordneten Jutta Lieske.

10. Juni 2008: Die frühere Finanzministerin Wilma Simon (SPD) gibt an, mit den Vorgängen um Bodenreformland nicht befasst gewesen zu sein.

4. November 2008: Die frühere Finanzministerin Dagmar Ziegler (SPD) sagt aus, es sei damals grundsätzlich alles richtig gemacht worden. Ähnlich äußerte sich Finanzminister Rainer Speer (SPD).

10. Februar 2009: Der als Zeuge geladene Finanz-Abteilungsleiter Helmut Baesecke sagt, dass alle Entscheidungen die Fachebene im Finanzministerium getroffen habe.

MAZ 12.02.2009