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KLARTEXT rbb am 15. Januar 2014 : -Brandenburgs wunderliche Förderpolitik


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Mi 15.01.2014 | 22:15 | KLARTEXT

Beitrag von Gabi Probst

-Brandenburgs wunderliche Förderpolitik
Ein amerikanisches Unternehmen kündigt an, in Brandenburg ein Pharmawerk zu bauen und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür beantragt es beim brandenburgischen Wirtschaftsministerium eine Millionenförderung, die auch bewilligt wird. Doch nach der ersten Auszahlung von drei Millionen Euro zeigt die brandenburgische Investitionsbank (ILB) das Unternehmen wegen Betruges an und überweist ihm trotzdem einige Monate später erneut gut drei Millionen Euro. KLARTEXT fragt nach: Warum?


Anmoderation

Erinnern Sie sich? Unlängst hatten wir enthüllt, dass Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers vom Landesrechnungshof massiv gerügt wurde. Der Vorwurf: Er soll, offenbar zu Unrecht, Fördergelder an das brandenburgische Unternehmen Odersun vergeben haben, als dieses eigentlich bereits insolvent war. Christoffers soll die Vergabe im Alleingang gegen den Rat von Fachleuten entschieden haben. Jetzt haben wir neue Vorwürfe gegen den Minister aufgedeckt. Wieder geht es um Millionen Fördergelder. Gabi Probst.
Vergangene Woche ließ uns der Wirtschaftsminister der Linken, Ralf Christoffers, ausrichten, dass er uns kein Interview geben kann, weil er, Zitat: “keinen Termin frei“ habe für KLARTEXT. Gestern trafen wir ihn im Landtag. Nun war seine Reaktion zum gleichen Thema eine ganz andere:
Ralf Christoffers (Die Linke)
Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten
“Vor dem Hintergrund staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen werde ich auch keine weiteren Auskünfte geben, es steht mir nicht zu und die Ergebnisse sind abzuwarten.“
KLARTEXT
“Aber die sind doch unabhängig davon. Es geht doch um Ihre Entscheidung.“
Der wegen fragwürdiger, von uns kürzlich veröffentlichter Vergabemethoden von Fördermitteln offensichtlich angeschlagene Minister hat also kein Interesse mehr, mit uns über einen zweiten Fall zu reden. Schade, denn wieder einmal geht es um mehr als drei Millionen Euro Fördergelder, deren Verbleib für den Steuerzahler transparent sein muss.
Der amerikanischen Firma Human BioSciences, kurz HBS, soll Christoffers zu Millionen Fördergelder verholfen haben, die nie hätten ausgezahlt werden dürfen. Einer Firma, die auf ihrer amerikanischen Homepage für ein Werk im brandenburgischen Luckenwalde wirbt, das bis heute aber eine Bauruine ist. Einer Firma, die vor ein paar Tagen Insolvenz anmeldete und deren Firmenchef heute kurz nach unserem Interview bei einer Hausdurchsuchung in Luckenwalde vom Landeskriminalamt verhaftet wurde.
Angeblich wollte Human BioSciences über 40 Millionen Euro investieren. Für die Herstellung
besonderer Wundpflaster sollten 100 Arbeitsplätze entstehen. Über 13,6 Millionen Euro Fördergelder versprach das Wirtschaftsministerium. Auszuzahlen von der Landesbank ILB.
Gefördert werden sollte damit vor allem der Kauf von Produktionsgütern für Human BioSciences, wie zum Beispiel Gefriertrockner zur Herstellung der Wundpflaster. So weit so gut.
Am 29. April 2011 zahlte die ILB die erste Fördersumme von rund 3,3 Millionen Euro aus. Doch der Bau ging seit 2009 nicht voran, wechselnde Bauunternehmen klagten darüber, nicht bezahlt worden zu sein. Nach einer Kontrolle auf der Baustelle leitete damals schon das Luckenwalder Finanzamt Ermittlungen ein. Die Vertreter der ILB suchten – genau wie das Finanzamt - vor allem die vielen geförderten Gefriertrockner für angeblich 400.000 Dollar pro Stück. Nun bekam auch die ILB große Zweifel über den Verbleib des Fördergeldes.
Leider gibt es auch aus diesem Haus kein Interview für uns. Doch wir haben anonym mehrere Insider und Beteiligte gesprochen. Und so erfahren wir, dass die ILB sogar Gutachten anfertigen ließ. Mit dem Ergebnis, dass zum Beispiel die Gefriertrockner zu den angegebenen Konditionen der Firma offenbar so gar nicht beschafft wurden. Im Ergebnis wandte sich am 3.April 2012 die Förderbank hilfesuchend an die zuständige Staatsanwaltschaft in Potsdam.
Sarah Kress
Staatsanwaltschaft Potsdam

“Die Investitionsbank des Landes Brandenburg erstattete am 3. April 2012 Strafanzeige wegen Betruges, woraufhin hier ein Überprüfungsvorgang eingeleitet worden ist.“
KLARTEXT
“Und heute gibt es ein Strafverfahren?“
Sarah Kress
Staatsanwaltschaft Potsdam

“Heute gibt es ein Strafverfahren, das sich gegen Beschuldigte richtet.“
Ab April 2012 verhängte die ILB nun einen Zahlungsstopp. Kein Cent Fördergeld sollte mehr an die Human BioSciences gehen, so unsere Recherchen. Ein richtiger Schritt, wie der Verwaltungsrechtler und Förderexperte Prof. Jürgen Keßler feststellt und es hätte noch mehr werden können.
Prof. Jürgen Keßler
Verwaltungsrechtler, HTW Berlin

"Na ja, nach dem allgemeinen Verwaltungsrecht und nach den besonderen Bestimmungen der Landeshaushaltsordnung hätte in diesem Fall der Zuwendungsbescheid widerrufen werden müssen und es hätten die bereits geleisteten Fördermittel zurückgefordert werden müssen.“
Auch andere Indizien sprachen im Sommer 2012 für den Zahlungsstopp.
Siegmund Trebschuh
Wirtschaftsförderung Teltow-Fläming

"Juno 2012 war das Richtfest gewesen. Und dann sollte es ja mit dem Bau weitergehen. Dann ist es immer wieder nicht weitergegangen. Das hat uns natürlich sehr skeptisch gemacht.“
Nach KLARTEXT-Recherchen waren das Wirtschaftsministerium und der Minister jederzeit über alles informiert. Doch am 1. Oktober 2012 plötzlich der Wandel: die ILB zahlt weitere rund 3,2 Millionen Euro an Human BioSciences aus – obwohl die Staatsanwaltschaft weiter prüft und der Bau des Werkes nicht wie geplant beendet wird. Warum die ILB plötzlich weitere Gelder auszahlt, erfahren wir offiziell nicht. Inoffiziell erfahren wir aber, dass es massiven Druck aus dem Wirtschaftsministerium auf die ILB gegeben haben soll. Besonders nachdem sich der Minister Christoffers sogar persönlich mit dem Geschäftsführer von Human BioSciences traf.

Michael de Mari
Human BioSciences

"Es sind drei Gespräche gewesen, klar."
KLARTEXT
"Und dann wurde ein kleiner Teilbetrag ausgezahlt."
Michael de Mari
Human BioSciences

"Ein Teil ist ausgezahlt, ja.“

Ein kleiner Teil, das waren immerhin 3,2 Millionen Euro.
Nach diesen drei Treffen soll Christoffers jedenfalls besonders zeitlichen Druck gemacht
haben. Doch das Geld hätte nicht gezahlt werden dürfen.
Prof. Jürgen Keßler
Verwaltungsrechtler, HTW Berlin

"Es ist ein klarer Verstoß gegen die Haushaltsordnung und es ist auch ein Verstoß gegen die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts."
Obwohl er mit uns nicht weiter spricht, lässt Ralf Christoffers in einer Presseerklärung kurz vor der Sendung verlauten, er habe die ILB nicht unter Druck gesetzt. Doch für unsere Recherche spricht der plötzliche Wandel der ILB: erst die Strafanzeige wegen Betruges in besonders schwerem Fall und dann ohne das Ergebnis der Staatsanwaltschaft abzuwarten, doch auszahlen. Das macht eigentlich keinen Sinn…Eigentlich.
Das Ministerium als Fachaufsichtsbehörde ist jedenfalls für den Experten nicht aus der Verantwortung zu nehmen.
Prof. Jürgen Keßler
Verwaltungsrechtler, HTW Berlin

"Das Ministerium ist verpflichtet, die öffentlichen Gelder entsprechend ihrer Zweckbestimmung zu verwenden bzw. dafür zu sorgen, dass sie von den Empfängern entsprechend ihrer Zweckbestimmung verwendet werden. Das heißt, sie müssen alles tun und alles vermeiden, was geeignet ist, dem Land einen Schaden zu zufügen.
KLARTEXT
"Und wenn sie das nicht tun, was ist es dann?"
Prof. Jürgen Keßler
Verwaltungsrechtler, HTW Berlin

"Wenn sie das nicht tun, ist das eine Frage wiederum, ob das strafrechtlich eine Untreue darstellt im Sinne von Paragraph 266 des Strafgesetzbuchs. Denn sie haben eine Vermögensbetreuungspflicht und wer diese Vermögungsbetreuungspflicht verletzt, der macht sich strafbar wegen Untreue.“

Abmoderation
Wie der Minister da rauskommen will – wir sind gespannt. Zumal er sich auch noch zu dem Fall Odersun verhalten muss, wo er wegen fragwürdiger Vergabe von Fördermitteln ebenfalls in der Kritik steht. Der Landesrechnungshof hat übrigens im Nachgang erst vor ein paar Tagen in einem internen Brief aufgelistet, dass Christoffers und sein Ministerium, so wörtlich "Fakten unterschlagen und Zitate verfälscht" habe ... da bitten wir aber um Aufklärung!
Beitrag von Gabi Probst
Stand vom 15.01.2014