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Schwarzbuch

Verfahren


Leserbrief Teilerfolg für DDR-Enteignete F.A.Z. vom 30.06.06

An die Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Hellerhofstr.2-4 - 60267 Frankfurt/M

Betr. »Teilerfolg für DDR-Enteignete« (FAZ v. 30.06.06., S. 5)

Resümée aus dem Urteil des Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg vom 30.03.2005

So enttäuschend das Urteil für viele Betroffene (berechtigterweise) auch sein mag, so wichtig ist es, jetzt nicht zu resignieren und unseren Staat weiter entschädigungslos mit Ihrem Eigentum wirtschaften zu lassen, sondern weitere mögliche Schritte zu unternehmen.
Der Gerichtshof meint, er sei für die Entscheidung über die eingebrachten Fragen nicht zuständig. Damit bleibt also die Bundesrepublik selbst dafür zuständig. Weder ein Rückgabeverbot noch das Verbot der Nachbesserung der Entschädigung wurde ausgesprochen. Also muß die Bundesrepublik auf innerstaatlicher Grundlage zur Verbesserung veranlaßt werden.
Die Beschwerde sei weiter unzulässig, da die Beschwerdeführer die berechtigte Erwartung auf eine angemessene Entschädigung nicht ausreichend dargelegt hätten.
Nicht geprüft wurde, ob eine solche Erwartung unter Beachtung der Empfehlungen im Vorfeld zur Gesetzgebung des EALG gegeben war. Der ursprüngliche Sinn und Charakter des EALG wurde nicht untersucht und ist in der Tat Bundesangelegenheit.
Im übrigen hat nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jeder einzelne befaßte Richter die Verfassungsmäßigkeit des von ihm anzuwendenden Gesetzes selbst zu prüfen und zu beurteilen.

Brief an die FAZ anläßlich der Entscheidung des EGMR vom 30. März 2005

Brief an die FAZ von Dr. Johannes Wasmuth ( München ):
langjähriger Lektor des juristischen Fachverlags Beck, anläßlich der Entscheidung des EGMR vom 30. März 2005:


Wegen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu den verharmlosend als Boden- und Industriereform bezeichneten Verfolgungsvorgängen dürfte eine rechtsstaatlich gesonnene Bundesjustizministerin aus drei Gründen nicht erleichtert sein:

Anmerkungen zur aktuellen Lage in der Vermögensauseinandersetzung - Verfahrensabläufe dauern zu lange

Anmerkungen zur aktuellen Lage in der Vermögensauseinandersetzung

Verfahrensabläufe dauern zu lange von Rechtsanwältin Catherine Wildgans, 07.07.2002

Die Gerichte stehen den Anträgen offensichtlich jetzt nicht mehr so "feindlich" gegenüber wie zum Ende des letzten Jahres; man stößt vielfach auf Kulanz der Richter. Die Anträge werden bei Unvollständigkeit nicht einfach als "unschlüssig" zurückgewiesen und die Antragsrücknahme nahegelegt, sondern es werden konkret Unterlagen nachgefordert. Viele Gerichte haben die Kammerbesetzung erhöht. Allerdings dauern die einzelnen Verfahrensabläufe zu lange. Nach der Antragsbegründung ist wochenlange Funkstille, was auf sehr lange Stellungnahmefristen bei den Gegnern schließen läßt. Die Beschleunigung der Verfahren sollte durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit und politischen Druck herbeigeführt werden. Daß die Vermögensauseinandersetzung schon bisher so lange gedauert hat, sollte kein Grund sein, um sie jetzt noch länger hinauszuzögern.

Die Antragsgegner reagieren in einigen Fällen sehr schnell, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besonders dann, wenn ihnen sehr genau bewußt ist, daß die Vermögensauseinandersetzung noch nicht erfolgt ist. Es wird der Versuch unternommen, unverzüglich nach Erhalt der Anspruchsbegründung die einzelnen Antragsteller außergerichtlich zum Abschluß eines Vergleiches zu bewegen, wobei der Verfahrensbevollmächtigte bewußt umgangen wird. Das Ergebnis ist, daß die Antragsgegner wesentlich weniger an Abfindung anbieten, als den Antragstellern zustehen würde und sie doppelt sparen: nämlich auf der einen Seite erhöhte Kosten durch höhere und damit richtige Abfindungsbeträge, und auf der anderen Seite Kosten durch geringere Verfahrensgebühren aufgrund des außergerichtlichen Abschlusses des Rechtsstreits.

Fazit: man sollte sich niemals vorschnell wegen der Verlockung des schnellen Erfolgs auf ein solches Angebot einlassen, denn es ist garantiert zu gering.

Die Frage der drohenden bzw. eingetretenen Verjährung beginnt die Gerichte zu beschäftigen. Erste Anfragen haben ergeben, daß in der Tat der einzige für den Antragsteller ermittelbare Zeitpunkt für den Beginn der Verjährung zugrunde gelegt wird, nämlich der Zeitpunkt der Eintragung der Rechtsnachfolgesellschaft im Handelsregister.
Das LAG besagt, daß die Verjährung am Ersten des Jahres beginnt, in dem die Feststellung der Umwandlungsbilanz erfolgte. Es wurde mehrfach festgestellt, daß dieser Zeitpunkt für niemanden ermittelbar ist, sondern dies einzig und allein der Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister ist. Dieses wird als allgemein einsehbar, ähnlich wie das Grundbuch, geführt und seine Eintragungen entfalten den sog. "öffentlichen Glauben". Das bedeutet, die dortigen Eintragungen werden als wahr unterstellt, selbst wenn sie es tatsächlich nicht sind. Umstände, die nicht eingetragen sind, gelten als nicht existent. Jeder sollte also durch entsprechende Einsichtnahme in das Handelsregister bzw. entsprechende Nachfrage beim zuständigen Registergericht das Datum der Eintragung feststellen lassen. Die Verjährungsfrist beginnt sodann am Ersten des darauffolgenden Jahres und beträgt 1ß Jahre (Ende jeweils 31.12.).
Unabhängig davon sollte aber die Frage der weiteren Verlängerung durch gesetzliche Regelung dringend weiterverfolgt werden. Alle Betroffenen haben in der Zeit des Wahlkampfes die Möglichkeit, durch offene Briefe z.B. in der Presse auf diesen Missstand hinzuweisen und die Politiker aufzufordern, hier einzugreifen, um die Rechte der Betroffenen zu sichern. Dabei ist das Ziel sicherlich die Erfüllung der berechtigten Ansprüche, aber auch die Wiederherstellung einer ausgewogenen Landwirtschaftsstruktur und damit die Beschaffung/der Erhalt von Arbeitsplätzen, Steuereinnahmen etc. Dies kommt letztlich dem Staat und seinen Bürgern in der Gesamtheit zugute.

Die Regelungslücken des LAG sind nach wie vor ungeklärt.

Immer noch kämpfen die "Gesellschafter" der Nachfolgeorganisationen um die grundsätzliche Anerkennung ihrer Ausgleichsansprüche, obwohl sie 1991 nichts davon wussten, dass sie Gesellschafter sind und was damit verbunden ist. Die angeblichen Belehrungen darüber waren unvollständig und so unverständig formuliert, dass mancher Akademiker seine Probleme damit gehabt hätte.
Nachdem der BGH schon vor Jahren entschieden hat, dass die Gesellschafter keinen Ansprüche mehr haben, wird es vermutlich erforderlich, ein Musterverfahren durch alle Instanzen zu führen, wenn nicht auf politische Ebene eine andere Regelung herbeigeführt werden kann.
Wer davon betroffen ist, sollte den Anschluß an "Leidensgenossen" suchen, um gemeinsam gegen dieses Unrecht vorzugehen.

Auch die Nichtmitglieder, die aber genauso jahrelang ihre Arbeitsleistung einbracht habe, sind nach wir vor benachteiligt. Nach dem LPG-Statut steht ihnen genauso ihr Anteil am Gesamtvermögen der LPG zu, jedoch wurde dieser Umstand bei Abfassung des LAG offensichtlich "übersehen". Das Unrecht, das durch nichts stichhaltig begründet werden kann, widerspricht also in höchstem Maße sogar dem ursprünglichen LPG-Recht.
Es gilt hier, genauso wie im Falle der Bodenreform-Rechtssprechung, hier eine grundlegende Änderung durch eine Umkehrung der Rechtssprechung dadurch herbeizuführen, dass diese Regelung für verfassungswidrig zu erklären ist. Dieses erfordert ein langes und kostenintensives Verfahren, das nur durchgeführt werden kann, wenn sich die Betroffenen in einer eigenen Gruppe organisieren und kämpfen anstatt aufgeben.

Ist eine LPG im Liquidationsverfahren und dieses noch nicht abgeschlossen, so hat man auch dann noch Möglichkeiten. Die Ansprüche sind zur Gesamtvollstreckungstabelle anzumelden, auch wenn der Verwalter dieses als verspätet zurückweist. Tatsächlich gibt es keine Ausschlussfrist für die Anmeldung, es macht dem Verwalter nur zusätzliche Arbeit, für die er aber bezahlt wird. Daher kann diese "Risiko" mit gutem Gewissen eingegangen werden.
Im Anschluß an die Anmeldung sollte durch umfassende Akteneinsicht beim Gericht festgestellt werden, ob die LPG tatsächlich überschuldet bzw. zahlungsunfähig war. Wichtig ist die Prüfung , welche Forderungen das Eigenkapital verringern, weil erst danach die Ansprüche auszuzahlen sind, und welche Vermögenswerte vorhanden waren, aber nicht als Aktiva angegeben wurden, sodaß sich das Eigenkapital erhöht. Die zu treffenden Feststellungen sind sehr vielschichtig und sollten mindestens zum Ergebnis haben, dass sich die Durchführung des Liquidationsverfahrens als notwendig erweist.

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