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Schwarzbuch

Dr. Klaus Peter Krause "Immer wieder und immer noch - das Bodenreformland" 23. April 2013


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Was der Fiskus den Erben gesetzeswidrig weggenommen hat, haben von ihnen erst wenige zurückerhalten / Eine Tagung der ARE in Potsdam

Der rechtsstaatliche Skandal um das „Bodenreformland“ in den neuen Bundesländern hat noch immer kein Ende gefunden. Das ist auf dem „Kongress“ der Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) am 19. und 20. April in Potsdam nochmals herausgestellt worden. Es geht um einstiges „Bodenreformland“ aus der einstigen sowjetischen Besatzungszeit (1945 bis 1949), das frühere DDR-Bürger geerbt hatten. Wenn diese dazu (nach der deutschen Einheit) als nicht berechtigt galten, sollte es an den Fiskus der neuen Bundesländer fallen. Denen aber waren zu viele dieser Erben nicht bekannt. Deshalb befürchteten sie, deren Grundstücke würden ihnen entgehen, weil eine Frist ablief. Also verfielen sie auf einen Trick, sich die Grundstücke vor Fristablauf anzueignen, ohne die Erben ausfindig gemacht zu haben. Ebendas war gesetzeswidrig. Hier hat sich vor allem das Land Brandenburg unrühmlich hervorgetan. 7400 Erben in den neuen Ländern wurden enteignet, ohne es zu merken. Nun muss Brandenburgs Fiskus das Land an sie herausrücken – falls er sie denn jetzt endlich vollständig ermittelt.

BGH-Urteil entschied die Aneignung als sittenwidrig und nichtig

Rechtsanwältin Catherine Wildgans zeigte die Möglichkeiten auf, wie die Erben sogenannter Neusiedler ihr geerbtes Bodenreformland vom jeweiligen Landesfiskus wieder zurückbekommen können, das sie unrechtmäßig an ihn hatten abtreten müssen. So hat sich das Land Brandenburg nach Angaben von Rechtsanwalt Dr. Thorsten Purps die Agrarflächen von 6500 Erben angeeignet. Aber ein BGH-Urteil von 2007 hatte diese Aneignung wegen rechtwidriger Methoden als „sittenwidrig und nichtig“ entschieden.*) Hier muss rückabgewickelt werden. In 10 208 Fällen war dem Land die Wegnahme nicht mehr gelungen, weil die Frist zur Aneignungsmöglichkeit (2. Oktober 2000) abgelaufen war.

In Brandenburg von 10 208 Fällen erst 1490 korrigiert

Doch sind beim Rückabwickeln drei Fallgruppen zu unterscheiden, was die Angelegenheit kompliziert und zur Ungleichbehandlung führt. Der Fraktionsvorsitzende vom Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag, Axel Vogel, legte dar, was seine Fraktion gegen die Ungleichbehandlung der Erben von Bodenreformland unternimmt und schon unternommen hat, ebenso gegen die nicht rechtswirksamen LPG-Umwandlungen. Dazu gehört auch die von der Fraktion initiierte „Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“. Von den 10 208 Fällen hat Brandenburg, wie Purps sagte, erst 1490 korrigiert. Viele Erben sind auch noch immer nicht namentlich bekannt und wissen von ihrem Landerbe nichts. Jetzt soll dem Land Beine gemacht werden, sie intensiver zu ermitteln. Es geht um rund 18 000 Hektar Liegenschaften, meist Agrarland. Bei einem (niedrig angesetzten) Hektarpreis von 5000 Euro geht es um einen Gesamtwert von 90 Millionen Euro, tatsächlich aber mehr, weil Agrarland mit bis zu 10 000 Euro und zuweilen darüber bezahlt wird. In seinem Buch „Vom Staat enterbt“ hat Purps die rechtsstaatlichen Verwerfungen im Umgang des bundesdeutschen Staates mit dem vererbten Bodenreformland nachgezeichnet.

Versagen der Rechtsprechung beim Wiedergutmachen politischer Verfolgung

Auf der gleichen Veranstaltung hat der Jurist Dr. Johannes Wasmuth den Gerichten „Versagen“ vorgeworfen und dies detailliert begründet. Ebenso versagt wie schon beim Aufarbeiten von NS-Unrecht habe die bundesdeutsche Rechtsprechung abermals beim Aufarbeiten von SED-Unrecht. Die rechtsstaatlichen Defizite beiderseits seien vergleichbar: Tatsachen der politischen Verfolgung würden systematisch verdrängt, die gesetzlichen Maßstäbe zum Nachteil der Opfer verkannt, Wiedergutmachungen würden häufig unterbleiben, Bestrafungen der Täter unterlassen. Überdies lägen im Fall der repressiven Verfolgungsaktionen gegen die Opfer der „Boden- und Wirtschaftsreform“ die bisher angestrengten Klageverfahren neben der Sache. Wasmuth ist Rechtsanwalt und Cheflektor des führenden rechtswissenschaftlichen Fachverlages C. H. Beck in München, die ARE ein Zusammenschluss von vierzehn Opfer- und Geschädigtengruppen. (Detailliert werde ich die Ausführungen von Wasmuth wegen ihrer großen rechtsstaatlichen Bedeutung demnächst in einem Extra-Beitrag darstellen).

„Potsdamer Neun“: Endlich Rechtsfrieden schaffen

Als einer der vom Versagen der Rechtsprechung Geschädigten erinnerte Dr. Udo Madaus an das Cicero-Wort „Die oberste Pflicht eines Richters ist es, die Wahrheit zu ergründen.“ Madaus bezog sich damit darauf, dass sich die Gerichte in ihren Urteilen gegen die Klagen der Opfer auf Rehabilitierung und Rückgabe weigern, das wirkliche Geschehen und damit die Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen. Weil die aber entscheidungserheblich wären, weisen sie die Klagen ab, so dass die unschuldigen Opfer mit dem Vorwurf „Nazi- und Kriegsverbrecher“ belastet bleiben und ihr entzogenes Eigentum nicht zurückbekommen. Madaus erinnerte auch an einen Appell von neun deutschen Professoren in Potsdam vor zwei Jahren („Potsdamer Neun“). Er richtete sich – und tut es noch – an alle drei staatlichen Gewalten (Bundestag, Bundesregierung, Gerichte) mit dieser Präambel: „Schaffen Sie endlich Rechtsfrieden. Beenden Sie die politische Verfolgung Unschuldiger. Sorgen Sie für deren Rehabilitierung. Nehmen Sie deren Eigentumsrechte endlich ernst.“ Jetzt vor der Bundestagswahl wünscht sich Madaus einen abermaligen Appell.

Zum Recht gehört, dass man es geltend machen kann

Über den allgemeinen Niedergang des Rechtsstaates sprach auf der gleichen Tagung der Staatsrechtswissenschaftler Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider. Mit Bezug auf die Wasmuth-Feststellung vom Versagen der Rechtsprechung sagte er unter anderem: „Zum Recht gehört, dass man es geltend machen kann, sonst ist es kein Recht.“ Auch trat er für einen „unerbittlichen Eigentumsschutz“ ein. „Das Eigentum zu schützen, ist die eigentliche Aufgabe des Staates.“ Rainer Potratz, der auf der Tagung Ulrike Poppe, die Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur in Brandenburg vertrat, zog stellte Ergebnisse dieser Aufarbeitung vor und zog eine Zwischenbilanz.

Wie „Alteigentümer“ Teile ihres geraubten Landes zurückkaufen können

Der ARE-Vorsitzende Manfred Graf von Schwerin machte abermals auf die Möglichkeit für „Alteigentümer“ aufmerksam, Teile des Landes, das ihnen in der SBZ-Zeit geraubt worden ist, preisvergünstigt von der staatlichen BVVG zurückzukaufen, wie es im 2. Flächenerwerbsänderungsgesetz geregelt ist. Für jene, die einen Antrag auf solchen Rückkauf bei der BVVG gestellt haben,  aber für den Kauf über nicht genug Geld verfügen oder ihr Geld dafür nicht aufwenden wollen, hat die ARE eine Möglichkeit entwickelt, wie sich der Kauf praktisch ohne Eigenkapital bewerkstelligen lässt („Tandem-Modell“). Auch verwies er darauf, dass die gerichtlich verweigerte Rückgabe an die Eigentümer auf den Erhalt der in DDR-Zeit heruntergekommenen Landsitze, Gutshäuser, Schlösser, Burgen und anderer Baudenkmale „verheerend gewirkt“ und dieses Kulturerbe zusätzlich zerstört hat. Nach Angaben von Professorin Ingrid Reisinger vom Aktionskreis Kulturerbe sind allein an Gutshäusern heute weit mehr vom Verfall bedroht also noch im „Wendejahr“ 1989.

Die ARE ist ein Zusammenschluss von vierzehn Opfer- und Geschädigtengruppen. Sie arbeitet auch mit dem anderen großen Zusammenschluss zusammen, mit der Union der Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG). Unter deren Dach haben sich insgesamt 34 Opfer- und Häftlingsgruppen zusammengetan.

 

*) Zu DDR-Zeiten hatten viele DDR-Bürger solches Land geerbt. Aber nach der deutschen Einheit von 1990 hat der Fiskus der neuen Bundesländer den meisten von ihnen das Eigentum daran wieder entzogen, indem sich das jeweilige Land als „besserberechtigt“ ausgeben und die Erben als „nicht zuteilungsberechtigt“ darstellen durfte. So wurden diese Erben gezwungen, ihren Grund und Boden, also meist den wesentlichen Teil ihres kleinen Vermögens, an den Staat abzutreten. Aber den Ländern gelang es nicht immer, die Erben, denen sie die Grundstücke wieder wegnehmen wollten, rechtzeitig ausfindig zu machen. Denn das musste vor dem 2. Oktober 2000 geschehen sein. Die Frist hatte den Sinn, Rechtsfrieden herzustellen. Da die Länder sahen, dass sie es bis dahin nicht schaffen würden, alle Erben zu finden, verfielen sie auf die Idee, sich zum gesetzlichen Vertreter dieser Erben bestellen zu lassen. In dieser Vertretereigenschaft übertrugen sie die Grundstücke kurzerhand an sich selbst und ließen sich im Grundbuch als Eigentümer eintragen. So war gerade auch Brandenburg vorgegangen.  Ausführlich dargestellt habe ich den ganzen Vorgang im Januar 2011 hier: http://kpkrause.de/2011/01/21/erben-gesucht/